Kommentar Weihnachtsansprache: Auch für Atheisten

Der Bundespräsident soll zu Weihnachten keine großen Fässer aufmachen. Über Religionsgrenzen hinweg Verbindendes aber kann er vermitteln.

Frank-Walter Steinmeier vor einem Weihnachtsbaum

Der Bundespräsident zur Weihnachtsansprache Foto: dpa

Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten ist dem „Wort zum Sonntag“ artverwandt und ein traditionell schwieriges Genre. Niemand will an diesem Tag zwischen Geschenken, Gans und Familienstreit verstört, niemand mit allzu tief greifenden Gedanken behelligt werden. Sie taugt kaum für große Innovationen und kann wenig bewirken. Sie kann aber Atheisten und Angehörigen anderer Religionen das Gefühl geben, der Bundespräsident als oberster Repräsentant des Staates sei nicht für sie da.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der in diesem Jahr seine erste Weihnachtsansprache hielt, hat sich in diesem Punkt deutlich von seinem Vorgänger Joachim Gauck abgesetzt und ausdrücklich auch denen frohe Weihnachten gewünscht, die keiner oder einer anderen Religion angehören. Dass Atheisten auch am hohen christlichen Feiertag berücksichtigt werden, ist wichtig. Denn nicht nur der Islam gehört zu Deutschland, sondern auch der Unglaube. In den neuen Bundesländern und Hamburg gehört eine Mehrheit keiner christlichen Kirche mehr an.

Steinmeier setzte ansonsten die Tradition fort, die schon seine Vorgänger eingeführt haben: Er sprach – im Gegensatz zur Kanzlerin – stehend und ohne Pult, was eine besondere Bürgernähe suggerieren soll. Auf einen leicht pastoralen Ton verzichten mochte er nicht, was die üblichen Beschönigungen politischer Brüche mit sich brachte. Am Mauerfall zeige sich, wie lohnend es gewesen sei, „diesem einzigartigen Moment ohne Furcht zu begegnen“, sagte der Bundespräsident. Dabei könnte Steinmeier aus seinem früheren ostdeutschen Wahlkreis wissen, wie ambivalent dieser Moment war: ein Aufbruch – und der Beginn flächendeckender Arbeitslosigkeit.

Und warum muss Steinmeier eigentlich Weihnachtsgrüße von seiner Frau ausrichten? Auf den Moment, dass ein allein lebender und atheistischer Bundespräsident die Weihnachtsansprache hält, müssen wir noch ein wenig länger warten.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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