Kommentar Widerstand im Iran: Proteste sind noch keine Revolution

Die Rebellion wird nicht zum Regimewechsel im Iran führen. Stattdessen wird sich der Machtkampf zwischen Konservativen und Gemäßigten verschärfen.

Menschen stehen auf einem Platz, im Hintergrund ist eine Rauchgranate explodiert

Proteste im Iran am Samstag Foto: ap

Mit einem Machtwechsel ist im Iran nicht zu rechnen. Zwar gibt es landesweite Proteste – aber sie kamen zu überraschend, waren nicht geplant. Es gab keinen aktuellen Anlass, keine Organisation, die dazu aufgerufen hätte, und es fehlen auch einheitliche konkrete Forderungen.

Stattdessen äußert sich spontane Wut. Vor allem die unteren Bevölkerungsschichten beklagen die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Preise. Zu diesen einfachen Bürgerinnen und Bürgern gesellen sich zunehmend politische Aktivisten aus ganz unterschiedlichen Lagern, die versuchen, der Rebellion ihren jeweils individuellen Stempel aufzudrücken.

Da die Akteure und Forderungen so unterschiedlich sind, ist kaum denkbar, dass die Rebellion zu einem Regimewechsel im Iran führt. Stattdessen wird sich der schon seit Jahren andauernden Machtkampf zwischen den Hardlinern und Konservativen sowie Reformern und Gemäßigten erheblich verschärfen.

Seit geraumer Zeit steht die Islamische Republik an einem Scheideweg. Während Präsident Hassan Rohani eine Öffnung nach außen und – mit Einschränkungen – auch nach innen anstrebt, wollen die Rechten und Hardliner, wie sie sagen, „an den Errungenschaften der Revolution festhalten“. Sie haben die Sorge, dass jeder Einfluss von außen, und ganz besonders die Kultur des Westens, den islamischen Staat unterhöhlen und früher oder später zu einem Regimewechsel führen könnte.

Die Regierung ist ohnmächtig

Bei diesem Machtkampf haben die Rechten weit mehr Hebel in der Hand als die Reformer. Die Justiz, der Wächterrat, die Revolutionsgarde, das Militär, die Geheimdienste, auch die größten Wirtschaftsunternehmen stehen ihnen zur Verfügung. Damit können sie jede einschneidende Reform verhindern. An ihrer Spitze steht Revolutionsführer Ali Chamenei, der mit nahezu unbegrenzter Macht ausgestattet ist.

Die Regierung ist daher relativ ohnmächtig. Sie hat aber, seitdem Rohani 2013 Präsident wurde, die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Diese große Zustimmung können die Rechten nicht ganz ignorieren, es sei denn, sie entschließen sich zu einer noch härteren Diktatur.

Bisher ist nicht klar, welches der beiden Lager die Proteste zu seinen Gunsten verbuchen könnte. Es ist jedoch sicher, dass US-Präsident Donald Trump seine eigenen Ziele nicht befördert hat, als er sofort in Großbuchstaben twitterte: „Zeit für einen Wechsel“. Auch Israel und die arabischen Staaten haben sich ähnlich positioniert, doch diese Einmischung von außen nutzt im Iran eher den Hardlinern als den Reformern.

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