Kommentar freies WLAN: Der User ist ein Gesetzesbrecher

Mehr Breitband, keine Störerhaftung: auf den ersten Blick hat die künftige Koalition gute Pläne. Doch Schwarz-Rot begreift das Netz noch immer als Gefahr.

Oh, was macht sie da im Internet? Bild: simonthon / photocase.com

Haben Union und SPD das Internet für sich entdeckt? Da ist zum einen der Plan, jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich in den Breitbandausbau zu investieren und so auch auf dem Land für schnellere Verbindungen zu sorgen.

Zum anderen gibt es die Ankündigung, die Störerhaftung abzuschaffen. Das ist das rechtliche Konstrukt, wonach der Betreiber eines WLAN dafür verantwortlich ist, was die Nutzer darin treiben. Das ist ungefähr so, als machte man den Verleiher eines Küchenmessers dafür verantwortlich, wenn damit ein Banküberfall begangen wird. Die Störerhaftung gibt es vor allem, um dem Interesse von Lobbyverbänden wie der Musikindustrie gerecht zu werden. Die Folgen dagegen – teure Abmahnungen – treffen vor allem die Kleinen. Die Regelung abzuschaffen, ist so vernünftig wie überfällig.

Also alles super? Nicht ganz. Denn dass zwei auf den ersten Blick positive Nachrichten die Runde machen, heißt nicht, dass sich ein neues Verständnis von Netzpolitik durchgesetzt hätte. Ein Konsens, der nicht nur die Internetversorgung als Teil der Daseinsvorsorge begreift, sondern auch das Internet als neutrales Netz und Informationen aus Politik und Verwaltung selbstverständlich als offen zugänglich.

Wer Internet als Teil der Daseinsvorsorge sieht, als so wichtig wie Wasser oder Strom, den darf es nicht kalt lassen, was die kommerziellen Betreiber derzeit machen. Sie bieten in immer mehr Städten nur scheinbar offene WLAN-Verbindungen an. De facto sind diese stark reglementiert. Meist ist nach einer halben Stunde Schluss, und versorgt wird sowieso nur die Innenstadt. Schön für die Touristen, Pech für die Anwohner.

Internetnutzung als Gefahr

Aber finanzielle Unterstützung seitens der Politik für ein Bürgernetz, das ohne restriktive Log-Ins auskommt, ohne Grenzen hinsichtlich Zeit und Volumen sowie ohne Registrierung? Fehlanzeige.

Die künftige Koalition setzt andere Prioritäten. Während sich eine Unterarbeitsgruppe um vermeintlich minderwichtige Themen wie Open Data oder Netzneutralität kümmern durfte, zog die Arbeitsgruppe Inneres und Justiz gleich die Vorratsdatenspeicherung an sich. Hier ist es wieder, das Verständnis, dass Internetnutzung nicht in erster Linie eine Chance, sondern eine Gefahr ist. Der User, ein möglicher Gesetzesbrecher, dessen digitale Schritte man genauestens überwachen muss. NSA und Co dürften das ganz genauso sehen.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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