Kommentar geplantes Integrationsgesetz: Deutschkurs = Integration = Job?

Innenminister de Maizière plant ein Gesetz, das Integrationsverweigerer härter sanktioniert. Dabei lässt er wichtige Fragen ungeklärt.

Ein Mann mit geschlossenen Augen, es ist Thomas de Maizière

Wie will de Maizière das „erfolgreiche Absolvieren von Integration“ prüfen? Foto: ap

Der Seufzer eines syrischen Flüchtlings ist bezeichnend: „Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen!“ Da ist was dran. Hunderttausende Flüchtlinge quälen sich derzeit durch Deutschkurse, pauken unregelmäßige Verben, Fälle, Zeiten – und das, obwohl für viele unklar ist, ob sie bleiben werden, später eine Arbeit finden, ihre Familie nachholen dürfen. Außerhalb Deutschlands sind die Sprachkenntnisse wertlos. Die Versuche sprachlicher Integration bergen daher immer auch das Risiko, Lebenszeitverschwendung zu sein.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) droht nun mit dem Verkürzen oder Versagen der Aufenthaltserlaubnis, falls sich Flüchtlinge weigerten, Deutsch zu lernen. Das ist sinnlos und ungerecht. Wie will er das „erfolgreiche Absolvieren von Integration“ prüfen? Wer in deutscher Umgebung lebt, vielleicht sogar eine deutsche Freundin hat, lernt schneller als jemand, der auf Kurse angewiesen ist. Das ist nicht nur eine Frage des Willens. Es fehlt immer noch an Deutschkursen, nicht an lernbereiten Flüchtlingen.

Das Gerede von der Integration lenkt davon ab, dass die Hauptfrage ungeklärt ist: Woher sollen die Jobs für die Leute kommen? Für die Gastarbeiter der 60er und frühen 70er Jahre gab es die Hilfsjobs an den Fließbändern, wo man mit geringen Deutschkenntnissen auskam. Oft konnte nur der Vorarbeiter gut Deutsch. Die „Integration“ lief über die Partizipation am wirtschaftlichen Aufschwung, deswegen galten Parallelwelten mit eigenen Stadtvierteln, eigener Kultur der sogenannten Gastarbeiter auch nicht als Problem.

Heute braucht die Wirtschaft qualifizierte Leute, souverän in der Verkehrssprache. Einfache Jobs sind zudem oft schon von EU-Arbeitsmigranten belegt. Für Flüchtlinge ist der Weg auf den Arbeitsmarkt schwerer – und dennoch wird allerorten über deren „Integration“ geplappert. Das bringt aber nichts. De Maizière lässt lediglich die Muskeln für die Wähler spielen.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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