Kommentar neue Regeln für Kirchenasyl: Bitte mehr christliche Großzügigkeit!

Seehofer passt der Kirchenasyl-Höchststand nicht und hat die Vorgaben verschärft. Er sollte lieber für mehr christliche Großzügigkeit sorgen.

Koffer von Flüchtlingen liegen auf Kirchenbänken

Koffer von Flüchtlingen liegen auf einer Kirchenbank in Hamburg Foto: dpa

Die Zahl der Kirchenasyle in Deutschland steigt und steigt. Doch die Bewegung feiert keine Rekorde. Sie will nicht als Massenbewegung wahrgenommen werden. Das Kirchenasyl versteht sich vielmehr als humanitär bestimmte Ultima Ratio im Einzelfall. Nur so wird auch die allgemeine Akzeptanz des Kirchenasyls bestehen bleiben. Es hat schließlich keinerlei rechtliche Basis, sondern gründet nur auf dem Respekt vor dem religiös motivierten Engagement für Menschen in Bedrängnis.

Innenminister Seehofer passt der Höchststand beim Kirchenasyl dennoch nicht. Ihn stört, dass inzwischen 90 Prozent der Kirchenasyle eine Überstellung des Flüchtlings in ein anderes EU-Land verhindern. Die Kir­chen­asyle sind damit zusätzlicher Sand im Getriebe der für Deutschland eigentlich so günstigen Dublin-Flüchtlingsverteilungsregeln.

Deshalb hat Seehofer nun die Vorgaben fürs Kirchenasyl verschärft. Wenn ein Härtefall abgelehnt ist, muss der Betroffene 18 Monate (statt bisher sechs Monate) im Kirchenasyl ausharren, bis er ein Asylverfahren in Deutschland erhält. Diese Verdreifachung der Dauer wird die Zahl der Kir­chen­asyle sicher senken.

Erstaunlich ist, dass Seehofer die Neuregelung ganz im Stillen vornahm. In seinem „Masterplan Migration“ wird sie nicht einmal erwähnt. Vielleicht will er sich vor der Bayernwahl nicht allzu lautstark mit den Kirchen anlegen. Denn die Idee des Kirchenasyls ist in den Kirchen breit getragen. Da gibt es nicht nur politisierte Großstadtgemeinden, die regelmäßig Flüchtlinge vor der Abschiebung schützen. Häufig sind es auch Gemeinden auf dem Land, die aus dem persönlichen Kontakt mit einem Betroffenen und tiefem Unverständnis für staatliches Vorgehen renitent helfen.

80 Prozent der Härtefälle werden abgelehnt

Wichtig ist nun vor allem, wie sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verhält – wie häufig es von den Kirchen vorgetragene Härtefälle akzeptiert oder ablehnt. Vor ein paar Jahren hat es noch fast alle Härtefälle anerkannt, inzwischen werden 80 Prozent abgelehnt. Das sieht nach politischer Steuerung aus und hat schon unter Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière begonnen. Hier sollte Seehofer wieder für mehr christliche Großzügigkeit sorgen. Die „Akzeptanz“ des Kirchenasyls sollte sich nicht darin erschöpfen, dass auf Verhaftungen in Kirchenräumungen verzichtet wird. Auch das humanitäre Anliegen der Kirchengemeinden sollte wieder ernst genommen werden.

Seehofer könnte diese Großzügigkeit leichtfallen. Denn mit dem Sinken der Zahl der Flüchtlinge wird auch die Zahl der Kirchenasyle vermutlich ohnehin wieder abnehmen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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