Kommentar verwässertes Reformpaket: So droht der Grexit

Das Spardiktat ist in Griechenland nicht zu vermitteln. Die Eurozone muss dem Land entgegenkommen – sonst droht der Grexit.

Mann im Anzug guckt schräg nach oben

Premier Alexis Tsipras will nicht wie gefordert bei den Renten weitere 1,8 Milliarden Euro im Jahr streichen. Foto: reuters

Der Grexit rückt unverändert näher. Offiziell macht die Eurokrise zwar gerade Pause und der Bundestag hat sich in den Sommer verabschiedet, nachdem er am Freitag noch ein weiteres Hilfspaket für Griechenland verabschiedet hat. Doch diese Geldzusagen waren nur eine Absichtserklärung – für den Fall, dass die Griechen das drakonische Spardiktat umsetzen, das die Gläubiger verlangen.

Es hat keine Woche gedauert, bis klar wurde, dass es politisch sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein dürfte, die verlangten Kürzungen in Griechenland durchzusetzen. An diesem Mittwoch sollte das Parlament in Athen eigentlich beschließen, bei den Renten weitere 1,8 Milliarden Euro im Jahr zu streichen. Doch Premier Alexis Tsipras hat diesen Passus lieber wieder aus der Gesetzesvorlage entfernt, um keinen Widerstand bei den Abgeordneten zu provozieren. Auch die vereinbarten Kürzungen bei den Landwirten sind aus dem Paket geflogen. Geblieben ist nur noch die Justizreform, gegen die niemand etwas hat.

Viele Deutsche verstehen nicht, warum es so schwer sein soll, bei den Renten weiter zu kürzen. Ihnen erscheint eine durchschnittliche Rente von 664,69 Euro üppig. Nach dem Motto: Mehr haben viele Deutsche auch nicht! Dabei wird vergessen, dass in Griechenland fast keine weiteren Sozialversicherungen existieren. Sozialhilfe gibt es nicht, und die Arbeitslosenversicherung endet nach einem Jahr. Konsequenz: Viele Rentner müssen Kinder und Enkel durchfüttern. Zudem bleibt oft wenig übrig, weil von der Rente auch die Immobiliensteuer abgeführt wird und Medikamente bezahlt werden.

Die Griechen verarmen rasant. Doch sie werden behandelt, als würden sie faulenzen. Dieser Zynismus kann nicht funktionieren. Die Eurozone steuert unaufhaltsam auf eine Entscheidung zu: Entweder kommt sie den Griechen entgegen oder der Grexit ist nicht mehr lange zu vermeiden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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