Kommentar zu DFB und Homosexualität: Der Stanglwirt ist wichtiger
Der DFB fordert mehr Akzeptanz für Schwule und Lesben im Fußball. Aber der DFB-Chef sitzt lieber beim Bankett mit Sepp Blatter als persönlich dafür zu werben.
W as macht eigentlich Wolfgang Niersbach? Der Präsident des Deutschen Fußballbundes kümmert sich um das, was er selbst gerne Kerngeschäft nennt, das Geschäft mit dem Profifußball. Er trifft sich mit den Großen des Business, um daran mitzuarbeiten, dass der Fußball noch größer wird, als er es ohnehin schon ist. Er ist glücklich, wenn von den Strahlen, die von den Lichtgestalten der Szene ausgesendet werden, ein paar auf ihn fallen, damit er ein wenig mitstrahlen kann. Am Mittwoch durfte er mit Franz Beckenbauer und Fifa-Boss Sepp Blatter in Kitzbühel zusammensein – angeblich um über irgendetwas ganz Wichtiges im Weltfußball zu reden.
Er hätte auch etwas Sinnvolles machen können. Er hätte sein Gesicht zeigen können, als in Berlin Vertreter des Profifußballs und der Bundespolitik eine „Berliner Erklärung“ vorgestellt haben, in der sie Akzeptanz für Schwule und Lesben im Fußball fordern. Das Event war zu popelig für Niersbach, gesellschaftlicher Kram.
Ein schickes Bankett mit Franz und Sepp beim Stanglwirt in Kitzbühel ist ihm wichtiger. Die gesellschaftliche Verantwortung, in der sein Amtsvorgänger Theo Zwanziger den Mega-Verband gesehen hat, lehnt Niersbach demonstrativ ab. Immerhin hat er seinen Namen unter die „Berliner Erklärung“ gesetzt – im Gegensatz zum völlig gesellschaftsblinden Verband der Profiklubs, der DFL. Und immerhin hat er es dann doch noch ermöglicht, dass sein Verband endlich eine lange angekündigte Broschüre mit Handreichungen für Spieler und Klubvertreter für den Fall eines Coming Outs auch im Profifußball herausgibt.
Aber anstatt eine solche zusammen mit den prominentesten Figuren des Fußballsports, mit dem Kapitän der Nationalmannschaft und dem Bundestrainer auf einer großen Pressekonferenz vorzustellen, hat man die Broschüre einfach zum Download auf der DFB-Website bereitgestellt und dazu ein paar alte Zitate des Präsidenten als Pressemitteilung verschickt.
Nicht einmal ein Vorwort des Präsidenten gibt es in den Coming-Out-Handreichungen. Einer der gesellschaftliche Verantwortung ernst nimmt, handelt anders. Man sollte an die andauernde Flucht von Wolfgang Niersbach aus dieser Verantwortung denken, wenn er bei einem wichtigen Fußballspiel wieder einmal neben der Bundeskanzlerin sitzt und von dieser begrüßt wird wie ein guter Freund.
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