Kommentar zu Freihandelsabkommen: Lobbyismus wird schwerer

Die geplanten Freihandelsabkommen haben es jetzt schwer. Doch ein Gerichtshof für multinationale Investi­tionsstreitigkeiten ist bereits geplant.

An einem Anzugrevers hängt ein Anstecker, auf dem „Ich <3 TTIP“ steht

Auch wenn es für die Freihandelabkommen gerade nicht so gut aussieht, haben die Befürworter schon vorgesorgt Foto: dpa

Schlechte Nachrichten für alle Fans des schrankenlosen Freihandels: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass auch die einzelnen nationalen Parlamente die EU-Freihandelsabkommen absegnen müssen – zumal wenn dort die umstrittenen Investorenschutzklauseln verankert sind. Dieses Urteil war erwartet worden, dennoch hat es weitreichende Konsequenzen.

Erstens: Die geplanten Freihandelsabkommen verlieren weitgehend ihren Sinn. In Wahrheit ging es nie darum, den freien Warenverkehr zu fördern. Stattdessen sollte die Lobbymacht der Unternehmen gestärkt werden. Denn die Investitionsschutzklauseln hätten es den transnationalen Firmen gestattet, gegen Staaten zu klagen, wann immer sie ihre „legitimen Erwartungen“ auf einen Gewinn gefährdet sehen. Die Unternehmen hätten also nur damit drohen müssen, Milliardenklagen einzureichen – schon hätten sie viele missliebige Gesetze im Umwelt- oder Verbraucherschutz verhindern können. Der Bürgerprotest ist daher in vielen EU-Ländern erheblich, so dass einige Nationalparlamente nicht zustimmen dürften.

Zweitens: Trotzdem sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass der Kampf gegen den Investorenschutz endgültig entschieden sei. Denn längst hat die EU-Kommission einen Umweg ersonnen: Sie will einen multinationalen Gerichtshof für Investi­tionsstreitigkeiten einrichten.

Ein echter Gerichtshof wäre zwar besser als die bilateralen Schiedsgerichte, die bisher die Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen entscheiden. Aber der fundamentale Mangel wäre nicht beseitigt: Wieder würde eine Sonderjustiz für transnationale Unternehmen eingerichtet, die diesen eine besondere Lobbymacht verschafft.

Es ist ganz einfach: Europa ist ein Rechtsstaat, die USA und Kanada sind es auch. Sondergerichte für transnationale Unternehmen sind also überflüssig.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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