Kommentar zu Radfahrerunfall: Bad Cops: Lügt die Polizei?

Ein Radfahrer verunglückt, die Polizei schreibt von einem „Alleinunfall“. Zeugen dagegen berichten von einem beteiligten Motorradpolizisten.

Keine ganz so tolle Beziehung: Radfahrer und Polizei. Bild von 2008 Foto: dpa

Die Polizei lügt. Nicht generell, aber doch zu oft, um ihre Meldungen ungeprüft zu übernehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Polizisten selbst Akteure sind, wenn es also ein Interesse der Behörde gibt, sich selbst in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen.

Vor anderthalb Wochen berichtete die Polizei über einen „Alleinunfall“ eine Radfahrers in Kreuzberg. Schon diese ungewöhnliche Wortwahl hätte ein Signal für eine kritische Überprüfung sein können, aber geschenkt. Wie die Polizei in ihrer Mitteilung weiter schrieb, sei der Radfahrer über eine rote Ampel gefahren. Ein Motorradpolizist habe ihn daraufhin ver­folgt, bis der 29-Jährige „ohne erkennbare Fremdeinwirkung vom Gehweg“ abgekommen sei. Bei dem Aufprall auf einen Straßenbaum verletzte sich der Radfahrer schwer.

Wie üblich wurde die Meldung der Polizei von vielen Medien übernommen, eins zu eins, ohne weitere Nachfrage. Mehrere Augenzeugen reagierten empört: Sie geben an, beobachtet zu haben, wie der Motorradpolizist den Radfahrer touchiert, ihm womöglich sogar in den Lenker gegriffen habe. Dies hätten sie auch bei der Befragung durch Polizisten unmittelbar nach dem Vorfall angegeben.

Die Polizei lügt. Nicht generell, aber zu oft, um Meldungen unge­prüft zu übernehmen

In der offiziellen Version des Vorgangs durch die Polizei fand sich ihre Perspektive dann jedoch nicht wieder. Nachdem die Zeugen die Öffentlichkeit suchten, musste die Polizei reagieren und teilte mit, nun auch im „polizeiinternen Bereich“ zu ermitteln.

Der Fall reiht sich ein in eine Serie weiterer Falschmeldungen, etwa bei der Räumung des Neuköllner ­Kiezladens in der Friedelstraße 54. Die Polizei twitterte damals von einem angeblich unter Strom gesetzten Türknauf, einer tödlichen Falle für ihre Beamten, und dominierte damit die Berichterstattung über den teils brutalen Einsatz. Auch in der Rigaer Straße machte sich die Polizei zum politischen Akteur, als sie die Absurdität verbreitete, mit „Säure-Konfetti“ beworfen worden zu sein.

Der neueste Vorfall zeigt: Es ist nicht nur Twitter, das die Polizei, die als Behörde einer besonderen Wahrheitspflicht unterliegt, zu vorschnellen und falschen Aussagen verleitet. Vielmehr handelt es sich um ein strukturelles Problem. Die Pressestelle der Polizei ist kein neutraler Akteur. Sie macht Marketing in eigener Sache. Da wird die „Gegenseite“ dämonisiert und eigenes Fehlverhalten verschleiert. Das ist verboten und ärgerlich. Ändern kann man daran nichts. Man kann aber aufhören, Polizeimeldungen ungeprüft zu übernehmen.

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