Kommentar zu ver.di-Medaillen für Einzelhandel: Gut gelaunt einkaufen ist nicht alles

Den Abbau von vollwertigen Arbeitsverhältnissen mit auszuzeichnen ist nicht nachvollziehbar.

Ehrenwert ist der Ansatz der Gewerkschaft Ver.di, mit einem Einkaufsratgeber gute Arbeitsbedingungen in der Region zu würdigen. Es gibt einem ein besseres Gefühl, seine Milch in einem mit Gold, Silber oder Bronze dekorierten Laden zu bezahlen. Doch der wachsenden Zahl prekär Beschäftigter im Einzelhandel bringt diese Medaillenflut herzlich wenig.

Fast alle Unternehmen der Branche verändern ihre Personalstruktur, um die Öffnungszeiten ausweiten zu können. Das ist schön für Studenten, weil sie dann mit abendlichen Nebenjobs an der Supermarktkasse ihren Lebensunterhalt aufbessern können. Aber es ist problematisch für geringer Qualifizierte: Wer will schon eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann anfangen, wenn er damit später ohnehin nur Aussicht auf einen befristeten Werkvertrag bei einer Personalfirma mit 7 Euro Stundenlohn hat?

Gold hätte gereicht

Die wenigen Einzelhändler, die gegen diesen Strom schwimmen, hat Ver.di zu Recht mit Gold prämiert. Warum sich aber diejenigen mit Silber und Bronze schmücken dürfen, die den Abbau vollwertiger Arbeitsverhältnisse mit befeuern, ist nicht nachvollziehbar.

Hier hätte man ganz anders bewerten müssen: Wer gliedert Abteilungen aus, um Personalkosten zu sparen? Welche Unternehmen vergeben Neuanstellungen nur noch befristet? Wer unterläuft mit welchen Werkverträgen geltende Tarifvereinbarungen?

Es ist schön, sich als Verbraucher beim Milchkauf gut zu fühlen. Dieses Gefühl entspricht aber viel zu oft nicht den Arbeitsbedingungen derer, die die Milch ins Regal stellen oder sie später abkassieren.

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Jahrgang 1985, ist Redakteur im Berlin-Ressort der taz und kümmert sich vor allem um Arbeits- und Wirtschaftsthemen. Vor seiner Ausbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalistenschule in München hat er in Potsdam Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie studiert.

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