Kommentar zum gestörten taz Salon: Vom Elend, immer Recht zu haben

Wenn Autonome eine Debatte sprengen, nützt das keinem – am wenigsten den Flüchtlingen. Die brauchen Hilfe, keine falschen Freunde.

Diskutiert nach dem gesprengten Salon weiter: Katja Suding (FDP) Bild: Miguel Ferraz

Niemand muss so weit gehen wie Voltaire. „Ihre Meinung ist genau das Gegenteil der meinigen, aber ich werde mein Leben daran setzen, dass Sie sie sagen dürfen“, proklamierte einst der französische Aufklärer. Das wäre vielleicht ein bisschen viel verlangt; einfach andere ausreden zu lassen, wäre ja auch schon was. Wer aber nicht zuhören will, ist kein Gesprächspartner.

Die schätzungsweise 130 Menschen, die am Dienstagabend im taz Salon im Hamburger Schanzenviertel eine Podiumsdiskussion mit Politikern über die Flüchtlingspolitik verhinderten, haben sich dem Diskurs verweigert. Nichts dazulernen zu wollen, ist ihr Problem, andere genau daran zu hindern, ist ein moralisches und gesellschaftliches.

PolitikerInnen auf dem Podium mit Papierkügelchen zu bewerfen, ist infantil, ihnen auf der Straße Böller hinterher zu schmeißen, ist genau das, was sie eben diesen PolitikerInnen vorwerfen: menschenverachtend.

Es geht darum, Flüchtlingen zu helfen, aber nicht darum, sie für die eigenen Revolutionsträume zu missbrauchen. Es geht darum, einen gesellschaftlichen Konsens gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus herzustellen, aber nicht darum, sich im selbst zertifizierten Bessermenschbewusstsein zu sonnen.

Und es geht darum, die Freiheit der Debatte – und im konkreten Fall auch die Freiheit der Presse – zu sichern, aber nicht darum, zwischen erwünschten und unerwünschten Meinungen zu unterscheiden. Wer die eigene Ansicht absolut setzt, ist ein Diktator.

Bleiberecht für alle zu verlangen, ist eine legitime Forderung, über die zu diskutieren wäre. Aber dafür wäre eben eine Debatte, die nun mal aus Reden und Zuhören besteht, vonnöten.

Wer sich dieser verweigert, bleibt zurück mit populistischen Parolen, die niemandem nützen und Flüchtlingen schon gar nicht. Menschen, die aus Krieg und Unterdrückung nach Deutschland flohen, brauchen echte Hilfe, keine falschen Freunde.

„Wärt ihr das Volk, wäre ich Flüchtling“, war jüngst auf einem Banner bei einer Anti-Pegida-Demo zu lesen. Zumindest ein Teil der Hamburger autonomen Szene sollte dringend mal über seine Ausgrenzungs- und Herabwürdigungsmechanismen reflektieren.

Die Unbelehrbaren indes dürfen sich weiter an Voltaire ergötzen: „Das Vergnügen, Recht zu behalten, wäre unvollständig ohne das Vergnügen, andere ins Unrecht zu setzen.“

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