Kommentar zur Debatte um Josef Schuster: Seien wir also ehrlich miteinander

Der Zentralratspräsident der Juden will Obergrenzen für Flüchtlinge. Es muss möglich sein, darüber zu streiten, ohne ihn als rassistisch zu stigmatisieren.

Schuster beim Verteilen von Lebensmitteln in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft.

Schuster beim Verteilen von Lebensmitteln in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft. Foto: dpa

Josef Schuster ist Zentralratspräsident der Juden in Deutschland, und er hat einer Besorgnis seiner Community in der Zeitung Die Welt Ausdruck gegeben. Dass nämlich der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland vor allem aus dem arabischen Raum besonderer Integrationsanstrengungen bedarf. Weswegen es „über kurz oder lang“ Obergrenzen bedürfe. Schuster war und ist nicht der Einzige, der dies wünscht. Darüber den Streit zu führen, muss möglich sein, ohne ihn als rassistisch zu stigmatisieren.

Der gestrige taz-Kommentar von Armin Langer lebt von der Konstruktion, dass mit ihm einer spricht, der selbst als Student der jüdischen Theologie unverdächtig scheint, einen wie Schuster kritisieren zu dürfen. Etwa im Sinne von: Guckt mal, wenn ihm selbst aus der jüdischen Szene politische Unzuverlässigkeit attestiert wird – dann wird da schon was dran sein.

Zur Kenntnis genommen werden darf: Juden und Jüdinnen in Mitteleuropa fürchten – ob zurecht oder nicht – eine Verschlechterung ihrer Lebenslagen, weil mit den Flüchtlingen auch Menschen nach Deutschland gelangen, die in ihren kulturellen Kontexten jahrzehntelang antisemitisch, antijüdisch und antiisraelisch aufgehetzt wurden. Soll ein Zentralratspräsident ob der Ängste in seinem Verband schweigen?

Schuster muss das thematisieren dürfen, mit welch unglücklichen Worten auch immer dies von ihm angereichert wurde. Ihn deshalb einen Rassisten zu nennen, in einem spezifischen taz-Kontext fast ein so schlimmes Verdikt wie die Holocaustleugnung, ist typisch: Man hat es offenbar einfach gern, endlich mal einem Juden eins auszuwischen – damit er, so die Phantasie, von seiner moralgedüngten Palme herunterkommt.

Worum man wenigstens alle bitten muss: Mäßigung. Um eine Tonlage des Verstehens. Vor allem, wir sind auch hier im deutschen Kontext, um die Kunst des Zuhörens. Des Ernstnehmens von Furcht und Angst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.