Kommentar zur Karl-Marx-Allee: Mieterorganisation lohnt sich

Die Mieter der Karl-Marx-Allee machen mit beim Rückkauf ihrer Wohnungen. Das liegt auch an den Mitbestimmungsstrukturen vor Ort.

So sieht eine gute organisierte Nachbarschaft aus Foto: Andreas Hergeth

Es hat funktioniert. Mehr als genug MieterInnen der vom Kauf durch die Deutsche Wohnen betroffenen Häuser an der Karl-Marx-Allee haben entschieden, dem Immobilienkonzern ein Schnippchen zu schlagen. Indem sie ihre Wohnung per Vorkaufsrecht erst selbst erwerben und anschließend sofort an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag weiterverkaufen, wird die Rekommunalisierung der 1993 privatisierten Blöcke Wirklichkeit. Mit 30 Prozent, 40 Prozent und 46 Prozent der Mieter wurde in jedem der drei Blöcke das erforderliche Quorum erreicht, damit die Gewobag künftig auch über eine Sperrminorität verfügt.

Das ist ein Sieg für die Bezirks- und Landespolitiker von Linken und Grünen, die diese Lösung gegen den Koalitionspartner SPD durchgesetzt hatten – dass die Sozialdemokraten hier wieder einmal die Gelegenheit verpassten, Politik für ihre eigene Klientel zu machen, scheint schon kaum mehr der Rede wert. Das ist aber auch ein Sieg für die stadtpolitische Bewegung in Berlin, ohne deren Stärke ein Politiker wie Florian „Investorenschreck“ Schmidt, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, gar nicht denkbar wäre. Und es ist ein Sieg für die MieterInnen der Karl-Marx-Allee, die sich zusammengeschlossen, protestiert und gekämpft haben und bereit sind, für die Rekommunalisierung ihrer Wohnungen ein Risiko einzugehen – gut möglich schließlich, dass ein jahrelanger Rechtsstreit mit der Deutschen Wohnen folgt.

Der hohe Organisationsgrad der Mieterschaft – seit Wochen ganz augenfällig an den Hunderten Transparenten und bunten Tüchern abzulesen, die die Blöcke rechts und links der einstigen sozialistischen Parademeile zieren – kommt nicht von ungefähr. Schon seit der Privatisierung 1993/1994 gibt es hier einen Mieterbeirat. Ohne das Vertrauen, das dieser in der Mieterschaft genießt, wäre es kaum möglich gewesen, so viele von dem komplizierten, mit Risiken behafteten Modell des gestreckten Erwerbs zu überzeugen.

Das zeigt: Für den Kampf gegen Gentrifizierung ist es nicht nur entscheidend, wem die Häuser gehören. Sondern auch, wie viel diejenigen mitbestimmen können, die drin wohnen. Rekommunalisierung allein schützt deswegen auch nicht dauerhaft die Interessen der Mieter – es braucht starke Selbstverwaltungsstrukturen, über die Mieter selbst für die Wahrung ihrer Interessen sorgen können. Diese Rekommunalisierung Plus, die etwa die Mieter-Initiative Kotti & Co schon seit Jahren fordert, ist das Rezept für die sozial gerechte Stadt von morgen.

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