Kommentar zur Kollegah-Entscheidung: Grenzgänger brauchen Grenzen

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft meint, brutale und Minderheiten verachtende Textzeilen seien vom Recht auf Kunstfreiheit gedeckt. Ein fatales Signal.

Die Rapper Farid Bang und Kollegah

Wiederholungstäter: Farid Bang und Kollegah Foto: imago/xcitepress

Es ist eine kurzsichtige Entscheidung: Die Songzeile „Mache mal wieder ’nen Holocaust“ ist in Deutschland nicht strafrechtlich relevant, ebenso wenig wie andere unappetitliche Passagen, die sich auf dem Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ der Rapper Kollegah und Farid Bang finden. Nachdem im April der mittlerweile abgeschaffte Musikpreis Echo an die Rapper verliehen wurde, gingen mehrere Strafanzeigen wegen ihrer Texte ein. Nun entschied die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft: Die Lyrics dürfen stehen bleiben.

Zwar räumte die Behörde ein, dass die Songtexte des Duos vulgär, menschenverachtend und misogyn seien – weil sie aber dem Genre Gangsta-Rap zugerechnet werden, seien sie nicht strafbar. Auch für ein Subgenre, das von Provokationen lebt, gelte die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit.

Aber Kollegah ist ein Wiederholungstäter: So ließ er etwa im Musikvideo zu seinem Song „Apokalypse“ den Teufel einen Davidstern tragen. Seine Holocaustzeilen sind eben keine abstrakte Geschmacklosigkeit im luftleeren Raum.

Außerdem stellt sich die Frage, zu welchem Preis man hier Grenzübertritte in Kauf nimmt. Zwar mahnten Rap-Fans in der Debatte zu Recht an, KritikerInnen des Duos verkennten den künstlerisch-sozialen Sinn von Battle- oder Gangsta-Rap: Statt sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, disst man seine GegnerInnen hier kreativ in Grund und Boden. Nicht jedes Schmähwort sollte man deshalb auf die Goldwaage legen. Und nicht alles, was das Genre hervorbringt, muss einer bürgerlichen Hörerschaft schmecken.

Doch Kollegah und Farid Bang arbeiten sich in brutaler Rhetorik an Marginalisierten, an Frauen und Homosexuellen, Jüdinnen und Juden ab. Solche Verwünschungen mit dem Verweis auf Kunstfreiheit zu schützen, nur weil sie jemand in Form von strunzlangweiligen und wenig revolutionären Songs in die Welt blökt, ist ein fatales Signal. Auch einem Genre, das Grenzüberschreitungen braucht, kann man Grenzen abverlangen, ohne seine Abschaffung zu fordern.

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