Kommentar: Schutz des Establishments

Die Linkspartei wehrt sich zurecht dagegen, dass sie im Bericht des Verfassungsschutzes auftaucht. Denn sie ist keine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Die Linkspartei hat im Verfassungsschutzbericht nichts zu suchen. Sie ist eine mittelgroße staatstragende Partei, die sich mit Mühe einen etwas rebellischen Anstrich gibt. Sie vertritt Positionen, die die SPD früher vertreten hat, und besitzt mit Lafontaine auch den gleichen Vorsitzenden wie damals die Sozis. Deshalb ist es nur konsequent, dass die "Linken" jetzt gegen ihre Stigmatisierung durch den Verfassungsschutz klagen.

Sinn des Inlandsgeheimdienstes ist es, Bedrohungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) frühzeitig zu erkennen und zu benennen. FDGO ist ein Wortungetüm, enthält aber nur sinnvolle Regeln - etwa das Recht auf Wahlen und Opposition, sozusagen den Minimalstandard einer Demokratie. Wer die Diktatur des Proletariats propagiert oder den Umsturz mit revolutionärer Gewalt, will sich offensichtlich nicht an demokratische Regeln halten. Aber von der Linkspartei ist dergleichen nicht zu hören, und von der jetzt fusionierten Linken erst recht nicht.

Der Linkspartei geht es allenfalls um die langfristige Überwindung des Kapitalismus. So beschreibt es auch der Verfassungsschutzbericht. Doch der Kapitalismus ist im Grundgesetz nicht vor Einschränkung oder Transformation geschützt. Das Grundgesetz ist aus historischen Gründen wirtschaftspolitisch weitgehend neutral.

Wer der Linken vorwirft, dass sie wirtschaftspolitisch vom Mainstream abweicht, kann auch Heiner Geißler und den Papst unter Beobachtung stellen. Die haben auch schon über die Auswüchse des Kapitalismus geklagt. Und die FDP mit ihrem Hass auf den Sozialstaat wäre dann gleich der nächste Kandidat für den Verfassungsschutz. Die "Systemfrage" wird eben nicht nur von der Linken gestellt.

Aber darum geht es nicht. Weder Katholiken noch Marktradikale müssen sich vor dem Verfassungsschutz fürchten. Wer zum Establishment gehört, wird nicht überwacht, so sind die Regeln - auch wenn ein Extremismus der Mitte, wie bei der gezielten Diskriminierung von Musliminnen durch Kopftuchverbote, viel gefährlicher ist. Die Linkspartei wird wohl eher ins Establishment aufgenommen, als dass dieses auf seinen "Verfassungsschutz" verzichtet.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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