Kommentar: Die Freiheit und Fähigkeit zur Wahl

Die Kinder-Verbraucher-Analyse wirft pessimistische Vorstellungen über heutige Kinder über den Haufen - und zeigt: Erziehung nützt doch etwas.

Wie stellt man sich die Jugend der Medien- und Konsumgesellschaft eigentlich vor? Irgendwie geistert da immer noch die Horrorvision herum, unsere Kinder würden den amerikanischen Albtraum leben und vollgefressen vor dem TV verkommen oder sich an der Playstation sadistische Spiele reinziehen - saturierte Produkte eines entgleisenden Konsumismus.

Und nun kommt die Kinder-Verbraucher-Analyse, wirft all diese Vorstellungen über den Haufen und präsentiert uns ein unerwartetes Bild der "heutigen Jugend". Diese würde nicht nur über ungewöhnlich viel Geld verfügen, sie würden dieses auch noch sparen. Die Kinder sind also keineswegs willenlos mitgerissen im Strom eines endlosen Konsums, sondern haben die wesentliche Kulturlektion verinnerlicht, den Aufschub der Triebbefriedigung. Sie sind nicht mehr erschlagen von Angebot und Möglichkeiten, sondern können umgehen damit, dass es alles gibt und sie nur manches kriegen. Dazu passend unterstreicht die Studie die erhöhten Freiräume, die den Kindern zugestanden werden. Die Verbraucheranalyse bestätigt also in erster Linie unseren Erfolg: Ja, Erziehung nützt doch etwas. Nach reiner Disziplinierung und deren Umschlag in die autoritätsfreie Summerhill-Pädagogik scheinen wir nun bei einer vernunftgeleiteten Erziehung angelangt zu sein.

Und doch sind das nicht nur unsere Kinder, sondern auch jene des fortgeschrittenen Konsumkapitalismus. Waren wir noch Godards "Kinder von Marx und Coca-Cola", die dem Konsum nur dort folgten, wo er Bilder von Freiheit entwarf, so haben diese Kinder heute ein nüchterneres Verhältnis zur Vielfalt sowie den Verheißungen der Konsumwelt. Die Freiheit ist die Freiheit und die Fähigkeit zur Wahl geworden. Sie sind nicht mehr erschlagen vom Angebot, dem sie sich weder vollkommen ausliefern noch ganz entziehen müssen. Die Freiheit dieser Kinder liegt nicht jenseits des Konsums, sondern in dessen Begrenzung. Wir haben sie, scheints, zu selbstbewussten Konsumenten erzogen - dem höchsten Subjektstatus, den man heute erreichen kann.

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