Kommissar Wallander auf Arte: Hamlet im Rotweinrausch

Arte zeigt drei neue Folgen von „Wallander“. Kenneth Branagh spielt den melancholischsten aller Wallander. Man möchte sofort in Tränen ausbrechen.

Kenneth Branagh als Kommissar Wallander. Bild: ard/degeto

Von allen skandinavischen Fernsehkommissaren, die derzeit über die Flatscreens flimmern, hat der Wallander, den Kenneth Branagh spielt, definitiv den nervigsten Handy-Klingelton. Es ist eine Marimba-Melodie (ein hölzernes Xylophon), die in sieben Dreiklängen disharmonisch absteigt. Game-Over-Jingles klingen so.

Schon August Strindberg, der schwedische Nationaldichter, bezeichnete das Telefon in dem Kammerspiel „Övader“ („Wetterleuchten“) als „Klapperschlange“, als Einbrecherin in das private Paradies der Familie. Das war 1907. Das Telefon hatte seinen Siegeszug gegen die Intimität gerade erst angetreten.

Heute ist das Handy gewissermaßen die wichtigste Waffe des Ermittlers. Denn das Telefon bringt die Nachrichten, und die sind immer schlecht. Ein Mord, ein Anruf. Die erste der drei neuen Mankell-Verfilmungen beginnt denn auch düster. Eine Fähre. Kalt ist es, die Farben sehen aus wie verschmiert. Eine verängstige junge Frau geht über Bord. Dem Prolog folgt der Vorspann, überlebensgroße Buchstaben formen den Namen der Kunstfigur, die sowohl ihren Erfinder als auch all ihre Darsteller überragt: Wallander. Dazu die säuselnde Stimme von Emily Barker: „Tram wires cross northern skies cut my blue heart in two.“ Man möchte sofort in Tränen ausbrechen.

Die dreiteilige Filmreihe mit Kenneth Branagh als Kommissar Wallander zeigt ARTE freitags am 13., 20. und 27. September jeweils um 20.15 Uhr.

Kenneth Branagh spielt den melancholischsten aller Wallander. Der in jeder Hinsicht große Rolf Lassgård kam dem literarischen Vorbild in den ersten Verfilmungen Mitte der Neunziger noch am nächsten, samt Übergewicht und einer gehörigen Portion Arschlochigkeit. Der zerknitterte Krister Henriksson als „Mankells Wallander“ wirkte immer etwas verpeilt. Und Hollywoods Shakespeare-Beauftragter Kenneth Branagh spielt den Ystader Kommissar als Hamlet.

Zu weich für den Job

Das regelmäßige Rotweinkoma auf dem Sofa: Branaghs Wallander ist zu weich für den Job. Aber deshalb ist er auch der sympathischste Wallander, den es je gab. Er ist zu gut für diese Welt.

Die schwedische Welt indes sieht durch die Brille der BBC-Produzenten so düster gar nicht aus. Selten wurden die Weiten Schonens so hübsch in Szene gesetzt wie hier. Zugegeben, es gibt reichlich viele Irre in dieser Landschaft, aber man hat nicht den Eindruck, dass das Böse ein Teil dieser Welt wäre. So, wie es seit Maj Sjöwalls und Per Wahlöös Erfindung ihres „Kommissars Beck“ Mitte der 1960er sozusagen skandinavischer Standard ist. Gut und Böse stehen sich hier vielmehr als unvereinbare Gegensätze gegenüber. Kurt Wallander ist der Wiedergänger zwischen Hell und Dunkel. Und sein Telefon, das Klingeln ist seit 2008 dasselbe, ist die Tür ins Dunkel.

„Lass es klingeln“, sind Wallanders erste Worte in der neuen Staffel. Er zieht gerade mit seiner Freundin und deren Sohn in ein frisch saniertes ehemaliges Bauernhaus, direkt am Feldrand. „Ein neuer Anfang“, sagt der Kommissar, nimmt die Frau an seiner Seite in den Arm und schaut aufs Feld. Er sieht glücklich aus. Da ertönt die Marimba-Melodie erneut.

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