Kommunale Menschenrechtspolitik: Tibet-Konflikt in deutscher Provinz

Die chinesische Botschaft drängt deutsche Bürgermeister, an ihren Rathäusern nicht die tibetische Schneelöwenflagge zu hissen. Die sind aber stur.

Ein tibetischer Möch mit der so genannten Schneelöwefahne im indischen Exil. Bild: Reuters

BERLIN taz | Die tibetische Fahne mit den zwei Schneelöwen und der Sonne wird auch in diesem Jahr am 10. März vor etlichen deutschen Rathäusern wehen. Damit sprechen seit 1996 Kommunen ihre Solidarität mit dem tibetischen Volk aus und für den Schutz der Menschenrechte. 2014 beteiligen sich laut der koordinierenden Tibet Initiative Deutschland 1.250 Kommunen an der wachsenden Aktion zum Gedenken an den Volksaufstand der Tibeter vom 10. März 1959.

Der Aufstand war von Chinas Volksbefreiungsarmee blutig niedergeschlagen worden und führte zur Flucht des Dalai Lama, des Oberhauptes der Tibeter, ins indische Exil.

Zu den Städten, die sich an der diesjährigen Aktion unter Schirmherrschaft des Bremer Exbürgermeisters Henning Scherf (SPD) beteiligen, gehören neben kleinen und mittleren Gemeinden auch die Landeshauptstädte Hannover, Magdeburg, Potsdam, Saarbrücken, Stuttgart und Wiesbaden.

Klaus Besser (SPD), Bürgermeister von der westfälischen Gemeinde Steinhagen bei Gütersloh, sagt: „Viele haben gemerkt, dass das nichts Schlimmes ist und keine Probleme macht.“

Das könnte sich jetzt ändern. Denn in diesem Jahr drängt China die Kommunen, sich nicht zu beteiligen. Bürgermeister und Landräte bekommen Anrufe und Briefe chinesischer Diplomaten. Sie fordern dazu auf, keine „Unabhängigkeit Tibets“ zu unterstützen.

„Tibet ist kein besetztes Land“, sondern sei seit dem 13. Jahrhundert Teil Chinas, schreibt die chinesische Botschaft. 1959 hätte sich der Dalai Lama den Wünschen der „95 Prozent der Bevölkerung Tibets ausmachenden Nomaden nach demokratischen Reformen“ widersetzt. Die Schneelöwenfahne stehe für die „rundum unrechtmäßige“ Exilregierung.

Einseitige Sicht auf Menschenrechte

Menschenrechte thematisiert der Botschaftsbrief nur im Hinblick auf die frühere Leibeigenschaft in Tibet. Heutige Probleme bleiben unerwähnt. Dafür lobt der Brief den „korrekten Standpunkt der Deutschen Bundesregierung“ und deren Ein-China-Politik.

Die Briefe und Anrufe der chinesische Diplomaten sind freundlich. Sie drohen nur subtil. So wird auf die Bedeutung der Städte- und Gemeindepartnerschaften mit China verwiesen wie auch darauf, dass mehr als eine halbe Million chinesische Touristen jährlich nach Deutschland reisen. Diese hätten kein Verständnis, wenn hier eine Stadt mit der Schneelöwenflagge eine Unabhängigkeit Tibets unterstützen würde.

Chinas Diplomaten ignorieren dabei, dass die allermeisten Chinesen die Schneelöwenfahne gar nicht kennen.Denn die ist in der Volksrepublik verboten.

Steinhagens Bürgermeister Besser bekam einen Anruf vom chinesischen Vizekonsul aus Frankfurt. „Er sagte mir, ich dürfe keine Außenpolitik machen. Ich mache auch gar keine Außenpolitik“, sagt Besser, „sondern setze mich für Menschenrechte ein.“

In seiner Gemeinde, die schon seit 1997 tibetisch flaggt, käme die Aktion gut an. „Wir werden natürlich wieder flaggen“, sagt Besser. „Wenn die Chinesen unsere Aktion wahrnehmen, ist das doch schon was.“

Vielleicht wirbt Chinas Druck letztlich sogar noch für die Aktion. Chinas Botschaft in Berlin wollte konkrete Fragen der taz nicht beantworten. Sprecher Zeng Fanhua erklärte nur, die Botschaft bemühe sich, den Deutschen den Sachverhalt und Standpunkt der chinesischen Regierung zu erläutern: „Dabei haben wir Verständnis und positive Reaktionen bekommen,“ erklärte er. Ansonsten sei es im beiderseitigen Interesse, dass sich die Beziehungen „weiter ungestört entwickeln“.

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