Kommunalwahl in Frankreich: Macron gibt den Statisten

Macrons Regierungspartei LREM rutscht in den Umfragen ab. Sie konkurriert mit parteilosen „Bürgerlisten“. Trotz Corona sollen die Wahlen stattfinden.

Eine Frau redet mit einem Mann und zeigt ihm Wahlkampfbroschüren

Ingrid Levavasseur im Wahlkampf in Louvier am 8. Februar Foto: Sameer Al-Doumy/afp

PARIS taz | Trotz Covid-19 finden in Frankreich am 15. und 22. März landesweit in rund 35.000 Städten und Dörfern Kommunalwahlen statt. Die Angst vor einer Ansteckung und die in mehreren Gegenden bereits geltenden Restriktionen werden sich jedoch auf die Beteiligung und auch auf den Ausgang auswirken.

Der Partei von Präsident Emmanuel Macron, „La République en Marche“ (LREM), kommt es vermutlich gar nicht so ungelegen, in dieser Hinsicht bereits im Voraus ein plausibles Argument zu haben, um eine von den Medien vorangekündigte Schlappe entschuldigen zu können. Ohnehin kann er sich darauf berufen, dass jede Kommunalwahl ein lokaler Sonderfall und ein landesweit mittelmäßiges Ergebnis darum für ihn kein Drama sei.

Normalerweise gibt in Frankreich die Regierungspartei in der Hauptstadt oder wenigstens in anderen wichtigen Großstädten den Ton an. Das ist heute nicht der Fall und, laut Vorhersagen, auch nicht nach dem 22. März.

„Die Listen, die unter der Flagge LREM antreten, scheinen dazu verurteilt zu sein, die zweite Geige oder gar eine Statistenrolle zu spielen“, prophezeit Alain Auffray, politischer Redakteur bei Libération. In Ermangelung eigener glaubwürdiger KandidatInnen unterstützt LREM in Toulouse, Angers und anderswo bürgerlich-rechte Listen.

Zwei rivalisierende Listen

Es gibt auch Fälle von Konkurrenz im Regierungslager: In Paris liegen zwei rivalisierende Listen (die offizielle von Ex-Gesundheitsministerin Agnès Buzyn und die „dissidente“ des Mathematikers Cédric Villani), die sich beide auf Macrons Programm berufen, klar im Rückstand zur bisherigen Bürgermeisterin Anne Hidalgo (Parti Socialiste) und der Ex-Justizministerin Rachida Dati (Les Républicains), die sich voraussichtlich ein klassisches Links-rechts-Duell um das Pariser Rathaus liefern.

Es wird erwartet, dass am Ende die zunächst separat kandidierenden Grünen dank einer Allianz mit Hidalgo in der Stichwahl den Ausschlag zu Gunsten der bisherigen rot-grünen Mehrheit geben. Auch in Marseille, Lyon, Bordeaux und Straßburg stehen die Chancen für LREM schlecht. Selbst Premierminister Edouard Phi­lippe muss in der Hafenstadt Le Havre, wo er 2014 noch im ersten Wahlgang mit 52 Prozent gesiegt hatte, dieses Mal mit einer Stichwahl rechnen und zittern.

Die erst 2016 von Macron gegründete liberale Regierungspartei hat eine geringe lokale Verankerung, wenig bisherige und erfahrene AmtsinhaberInnen. Auch muss sie voraussichtlich bei diesem politischen Test für eine wachsende Ablehnung der Regierungspolitik auf nationaler Ebene büßen. Schon zu Jahresbeginn hatte Macron darum erklärt, von diesen Lokalwahlen sei nichts Gutes zu erwarten. Als Plebiszit für oder gegen ihn möchte er diese dennoch nicht verstanden wissen.

Obwohl in der Regel die bisherigen Amtsinhaber mit einem Vertrauens­bonus in den kommunalen Wahlkampf gehen, sind es viele BürgermeisterInnen leid, nochmals anzutreten. Fast die Hälfte sagt, sie wollten nicht mehr. „Den Bürgermeistern fehlen die Mittel. Und anstatt uns zu helfen, wirft der Staat uns Knüppel zwischen die Beine“, beklagt sich beispielsweise Philippe Rion (62). Er amtierte als maire seit 2008 im südfranzösischen Castillon. Ihm reicht’s: „Die finanziellen Zuwendungen des Staats sinken, gleichzeitig aber überträgt er uns zusätzliche Aufgaben.“

Anders Politik machen

Doch nicht überall herrscht solche Verdrossenheit. Nicht nur in kleinen Wahlkreisen, in denen sich häufig niemand vordrängt, um im Rathaus die Verantwortung für das lokale Gemeinwohl zu übernehmen, sondern auch in größeren Städten werden mit unterschiedlichem Echo parteilose „Bürgerlisten“ neben den politischen Gruppierungen Listen aufgestellt.

Anders und bürgernahe Politik betreiben, als das die traditionellen Parteien tun, lautet ihr Angebot. Dieses nicht ganz neue Phänomen ist durch die seit November 2018 anhaltenden Proteste der „Gelbwesten“ maßgeblich verstärkt und inspiriert worden.

Ingrid Levavasseur (32) war eine der bekanntesten Wortführerinnen dieser Bewegung. Jetzt kandidiert sie in ihrem Wohnort Louviers, einem Städtchen mit 20.000 Einwohnern in der Normandie, auf der Liste „Changer Louviers“. Diese sieht sich als Bürgerinitiative und Alternative, sie wird aber auch von den Kommunisten und der linken France insoumise unterstützt.

„Wichtig ist es, infrage zu stellen, was bereits gemacht wurde. Wir haben unser Programm aufgrund der Einwände der Leute während der Kampagne überarbeitet. Das gefällt ihnen, weil es den Erwartungen entspricht“, meint Levavasseur, die gesteht, auch persönlich aus „Fehlern“ gelernt zu haben.

Der größte Unsicherheitsfaktor vor der ersten Runde am kommenden Sonntag bleibt derzeit das Coronavirus. Die Behörden versichern, vor den Wahlbüros würden Desinfektionsgel und Gummihandschuhe bereitgestellt. Vorsichtshalber wurden aber in dieser Woche die allermeisten ­Wahlveranstaltungen aus Verantwortungsbewusstsein der KandidatInnen oder Angst vor einer Ansteckung abgesagt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.