Kommunalwahlen in Frankreich: Jetzt muss Macron liefern

Der Wahlerfolg der Grünen in Frankreich erhöht den Druck auf den französischen Präsidenten. Prompt erinnert der sich an an seine Klimaversprechen.

Der Bürgermeister von Grenoble, Éric Piolle, und die grüne Politikerin Jeanne Barseghian radeln durch Straßburg

Zwei Grüne in Straßburg: Der Bürgermeister von Grenoble, Éric Piolle, und Jeanne Barseghian Foto: Abdesslam Mirdass/Hans Lucas/imago

PARIS taz | Haben die Corona-Erfahrung und die Sorge um die Gesundheit in Frankreich einen Meinungswandel bewirkt, der sich nun in Wahlergebnissen zeigt? Oder ernten die Grünen einfach endlich die Früchte ihrer jahrelangen und meist vergeblichen Bemühungen, den Raubbau an der Natur und Umwelt zu stoppen und den Kampf gegen Klimaerwärmung in alle gesellschaftlichen Bereichen zu integrieren?

Es gibt bestimmt verschiedene Gründe für den eindrücklichen Vormarsch der Grünen bei den französischen Kommunalwahlen. Ein zentraler ist jedoch sicherlich das Fiasko der Regierungspartei La République en marche (LREM). Die Vertrauenskrise, der Präsident Emmanuel Macron samt seiner Bewegung ausgesetzt ist, bedingt den aktuellen lokalen Erfolg der Grünen von Europe Écologie – Les Verts (EELV). Sie stellen für viele eine glaubwürdige Alternative zur LREM und den traditionellen Parteien dar.

Macrons Bewegung war angetreten, das allzu dualistische Links-rechts-Schema der französischen Parteienlandschaft zu überwinden, an der Regierung aber tendierte sie unter Führung von Premierminister Édouard Philippe klar nach rechts zu einer neoliberalen, antisozialen Politik. Klimapolitik hingegen blieb ein weitgehend leeres Wort. Für die EELV öffnete sich da eine politische Marktlücke.

Und nicht nur die Grünen haben profitiert, sondern auch die diversen linken Parteien, die Sozialisten, La France insoumise, Génération.s und die Kommunisten. Man muss sogar sagen: Der Erfolg hat sich gegenseitig bedingt. Denn ohne rot-grüne Allianzen mit wechselnder Zusammensetzung je nach Stadt und lokaler Vorgeschichte wäre der Triumph weder in Lyon noch in Bordeaux denkbar gewesen.

Macron und Rechte gegen Rot-Grün

Das französische Wahlsystem in zwei Durchgängen macht taktische oder strategische Bündnisse fast unabdingbar. Das vermittelt in gewissen Fällen den unschönen Eindruck von opportunistischen Absprachen, die mehr persönlichen Karriereinteressen entsprechen als politischen oder gar gemeinnützigen Zielsetzungen. Wer nicht bündnisfähig ist, bleibt isoliert und schlecht repräsentiert.

Das hatten die französischen Grünen jedes Mal erfahren müssen, wenn sie zu sehr auf ihrer Unabhängigkeit bestanden, weil sie es leid waren, als Juniorpartner der links-hegemonischen Sozialisten die zweite Geige zu spielen. Das haben die Grünen bei der ersten landesweiten Regierungskoalition mit den Sozialisten (1997–2002) gespürt, bei der auch noch andere Kleinparteien dabei waren und deshalb „Gauche plurielle“ (Linke im Plural) genannt wurde. Zwar ging mit Dominique Voynet erstmals das Umweltministerium an eine grüne Politikerin. Andererseits waren die Grünen unter dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin nur ein kleiner Partner.

Am Montag hat sich das Kräfteverhältnis gedreht. Es sind die Grünen, die erstarken und in der Debatte um Allianzen und Koalitionen den Ton angeben. Die EELV ist auf der linken Überholspur, rechts ist für sie eine politische Einbahnstraße. Spätestens nach diesen Kommunalwahlen und den geradezu spektakulären Erfolgen in Lyon, Bordeaux, Straßburg, Besançon etc. kommt ihnen eine Führungsrolle zu.

Diese hatte bisher der Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon für seine Bewegung La France insoumise beansprucht, doch die WählerInnen haben es anders gesehen. Die Sozialisten haben sich noch kaum von der Wahlschlappe nach der Präsidentschaft von François Hollande (2012–2017) erholt, sie feiern nun ein unverhofftes Comeback, wissen aber nur zu gut, dass dieses ohne grüne Unterstützung weder in Paris noch in Rouen oder Nancy kaum möglich gewesen wäre.

Sozis unterstützen Grünen Kandidaten

Sehr bescheiden oder auch einfach pragmatisch erklärte der sozialistische Parteichef Olivier Faure am Sonntagabend angesichts der grünen Welle in den Städten, er sei in Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen von 2022 bereit, sich hinter eine gemeinsame Kandidatur einer Persönlichkeit aus den Reihen der Grünen zu stellen. Das ist neu und zwingt zugleich die französischen Grünen, diese neue Verantwortung für die Bildung neuer (grün-rot-bunter) Allianzen wahrzunehmen. Dazu muss diese immer noch unter internen Rivalitäten leidende Partei aus den lokalen Erfahrungen lernen.

Kein politisches Terrain ist bürgernäher als die Kommunalpolitik. Diese erlaubt es, ganz konkret im Straßenverkehr, in den Schulrestaurants, in der Raumplanung und lokalen Wirtschaftsförderung sowie mit der Unterstützung von Bürgerinitiativen und Vereinen zu zeigen, was vor Ort aus dem Rathaus heraus anders und besser gemacht werden kann, um viel weiter gehende Änderungen einzuleiten.

Der lokale Triumph der Grünen öffnet den Weg zu einer neuen klima- und umweltpolitisch geprägten linken Mehrheit für Frankreich (und Europa). Mehr als vielleicht in Deutschland macht es die konservative Rechte in Frankreich den Grünen durch eine fast permanente Ablehnung einer ambitiösen Verkehrs-, Energie- und Umweltpolitik oder auch einer nachhaltigen Landwirtschaft leicht, die Partnerwahl auf der linken Seite der politischen Landschaft zu treffen. Umgekehrt mussten namentlich die Sozialisten selbstkritisch von früheren Positionen, zum Beispiel in der Frage der Atomenergie, abrücken.

Macron versucht mit dem von ihm initiierten Bürgergremium zum Klima zu kontern. Er steht auch in der Bringschuld, hat er doch auch hinsichtlich des Klimaschutzes Wahlversprechen einzulösen. Vor seiner Abreise zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag traf der Präsident noch die 150 Mitglieder des Bürgergremiums „Convention citoyenne pour la climat“, das ihm 149 zum Teil sehr ehrgeizig klingende Vorschläge zur Einhaltung der Klimaziele vorgelegt hat.

Grüner Macron?

Macron versicherte, er wolle allen Anregungen Rechnung tragen außer dreien: die Debatte über eine Senkung der Geschwindigkeit auf Autobahnen, die Forderung nach einer vierprozentigen Abgabe auf Dividenden zur Finanzierung des Klimawandels sowie die Verankerung des Umwelt- und Artenschutzes als Verfassungsauftrag der Republik.

Macron gibt sich aber deutlich grüner – und geht damit einen Schritt auf die Grünen zu. Für die EELV ist aber gar nicht garantiert, dass Macrons LREM nach 2022 überhaupt noch existiert. Das wird sie davon abhalten, sich zu sehr von Macrons Klimaversprechen um den Finger wickeln zu lassen. Außerdem ist die Allianz mit der Linken aus ­Erfahrung erfolgversprechend.

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