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Kommunalwahlen in Nordrhein-WestfalenKein Durchmarsch der AfD

Bei den Kommunalwahlen in NRW bleibt die CDU stärkste Kraft. Wahlverlierer sind die Grünen.

Hendrik Wüst und seine CDU kommen bei der Kommunalwahl mit einem blauen Auge davon Foto: Christoph Reichwein/dpa

Bochum taz | Eine stabile CDU, teils massive Verluste für Grüne und SPD – aber kein Durchmarsch der rechtsextremen AfD: Das ist das Ergebnis der Kommunalwahlen im mit 18 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die CDU kam landesweit auf 33,3 Prozent, verlor 1 Prozentpunkt gegenüber ihrem Kommunalwahlergebnis von 2020. In ihrem einstigen Stammland zweitstärkste Kraft wurde die SPD mit 22,1 Prozent (minus 2,2 Punkte).

Schlecht abgeschnitten haben dagegen die Grünen, die offenbar von 20 auf 13,5 Prozent abstürzten. Für die AfD entschieden sich 14,5 Prozent der Wäh­le­r:in­nen – und damit 9,4 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Die Linken fuhren mit 5,6 ein Plus von 1,8 Prozentpunkten ein. Die Wahlbeteiligung war mit 58,5 Prozent so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr.

„Ökologische, progressive Politik hat es gerade schwer“, sagte Grünen Co-Bundeschef Felix Banaszak in einer ersten Reaktion. Grund für das schlechte Abschneiden seiner Partei sei eine „fundamentale Verschiebung“ der politischen Lage nach rechts, erklärte Banaszak in Bonn, wo der Bundesvorstand der Partei am Montag auch über das Ergebnis der NRW-Kommunalwahl beraten will: „Der Wind kommt gerade von vorn.“

Allerdings: In Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt Köln stellen die Grünen auch künftig die stärkste Ratsfraktion. Die Partei kam auf 25 Prozent, gefolgt von 19,9 Prozent für die SPD und auch für die CDU. Für die Linken haben sich in der Domstadt 10,8 Prozent entschieden. Die AfD dagegen rangiert in der viertgrößten Stadt Deutschlands mit 9,1 Prozent nur auf Platz 5.

Spitze gegen Merz

Vorn liegt in Köln auch die Oberbürgermeister:innen-Direktkandidatin Berîvan Aymaz: Für die 53-Jährige, bisher Vizepräsidentin des nordrhein-Westfälischen Landtags, votierten Stand 23 Uhr 28,1 Prozent der Wähler:innen, gefolgt vom Sozialdemokraten Torsten Burmeister mit 21,3 Prozent. Er und Aymaz müssen am 28. September also in eine Stichwahl. „Ich bin überwältigt“, freute sich Berîvan Aymaz gegenüber der taz: „Ich bin dankbar für jede Stimme, für jede Unterstützung“.

Es sei ihr gelungen, viele Menschen zu erreichen – und „zu vermitteln, welche Potenziale Köln hat“, glaubt die Grüne. Bei der Stichwahl werde sie weiter auf ihre Hauptthemen setzen: „Das sind bezahlbare Wohnungen, gerechte Mobilität und Klimaschutz.“ Im Umgang mit der offenen Drogenszene seien „deutlich stärkere Hilfsangebote“ nötig, „damit Menschen wirklich raus aus der Abhängigkeit kommen und die öffentlichen Plätze entlastet werden“.

Wie erwartet stark abgeschnitten hat die Partei von Bundeskanzler Friedrich Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst auch in weiten Teilen des ländlichen Rheinlands, Münsterlands und Westfalens. So entschieden sich etwa im ostwestfälischen Hövelhof bei Paderborn fast 60 Prozent der Wäh­le­r:in­nen für die CDU. „Ein tolles, großartiges Ergebnis“ habe seine Partei eingefahren, jubelte Wüst in der Landeshauptstadt. „8 Prozent besser als der Bundestrend“ sei die CDU in Nordrhein-Westfalen, erklärte Wüst – was durchaus auch als Spitze gegen Merz zu verstehen ist.

Für seine Politik geworben hatte Merz nicht nur beim NRW-Landesparteitag seiner Christdemokraten in Bonn. Als Ort seines Antrittsbesuchs in NRW wurde Münster gewählt, wo der langjährige CDU-Rathauschef Markus Lewe nicht mehr antritt. Im Kampf um das Amt des Oberbürgermeisters wird es stattdessen eine Stichwahl zwischen dem Grünen Tilman Fuchs, der im ersten Wahlgang auf 41 Prozent kam und bisher Schuldezernent im Nachbar-Wahlkreis Steinfurt ist, und dem mit 37,3 Prozent an zweiter Stelle liegenden Christdemokraten Georg Lunemann geben.

Klingbeil kam nur bis Lüdenscheid

Denn auch in Berlin galt die Kommunalwahl durchaus als Stimmungstest für die schwarz-rote Regierungskoalition im Bund: In NRW wählen durften rund 13,7 Millionen Menschen – nur 7 der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben mehr Einwohner:innen. Nicht umsonst ließ deshalb sich Politprominenz aller Parteien in den vergangenen Wochen scharenweise in NRW sehen. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder unterstützte NRW-Regierungschef Hendrik Wüst im heimischen Münsterland.

Auch die SPD bekam massiv Unterstützung aus Berlin: Die aus Duisburg stammende Co-Parteichefin Bärbel Bas war über Wochen immer wieder in NRW unterwegs – in ihrer Heimatstadt, aber etwa auch in Wuppertal, Solingen und Moers. Ihr Co-Parteichef, Vizekanzler Lars Klingbeil, spielte in Lüdenscheids Fußgängerzone den Oasis-Song „Wonderwall“ auf der Gitarre, und Deutschlands beliebtester Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, ließ sich in Düsseldorf sehen.

Ausgezahlt hat sich der Einsatz für die SPD allerdings nicht überall. In der Revier-Großstadt Duisburg landete der amtierende SPD-Oberbürgermeister Sören Link bei der Direktwahl zum Rathauschef mit 46,0 Prozent zwar mehr als deutlich vor dem zweitplatzierten AfD-Mann Carsten Groß mit 19,7 Prozent. Auch in Duisburgs Stadtrat ist die SPD mit 32,6 Prozent stärkste Kraft. In Dortmund, das lange als „Herzkammer der Sozialdemokratie“ galt, holte SPD-Rathauschef Thomas Westphal dagegen nur 27,4 Prozent – und muss noch einmal gegen den bei 17,0 Prozent liegenden Christdemokraten Alexander Kalouti ran.

Der Hammer

Wie viel Potenzial Sozialdemokraten in ihrem einstigen Stammland Nordrhein-Westfalen noch immer haben, zeigte im benachbarten Hamm der amtierende Oberbürgermeister Marc Herter. Der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, der einmal als Kronprinz der NRW-Genoss:innen galt, holte bei der Rathauschef-Direktwahl satte 63,6 Prozent. Stärkste Fraktion im Rat der knapp 180.000 Menschen zählenden Stadt ist die SPD mit 41,8 Prozent ebenfalls, gefolgt von der CDU mit 23,6 und der AfD mit 17,4 Prozent.

Deren Co-Bundeschef Tino Chrupalla bezeichnete seine Partei in einem Anflug von Größenwahn zwar als „Volkspartei“. Dennoch ist der befürchtete Durchmarsch der Rechtsextremen auch in den von Deindustrialisierung und hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Städten im Norden des Ruhrgebiets ausgeblieben. Offenbar ist es der AfD nirgendwo in Nordrhein-Westfalen gelungen, als stärkste Kraft in einen Stadtrat einzuziehen.

In der ehemaligen SPD-Hochburg Gelsenkirchen lieferte sich die Partei zwar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD. Für die Sozialdemokraten votierten 30,4, für die Rechtspopulisten 29,9 Prozent – in keiner Großstadt Nordrhein-Westfalens waren die Rechtspopulisten stärker. Bei der Direktwahl zur Oberbürgermeisterin entschieden sich aber 37,0 Prozent für die auch von den Grünen unterstützte SPD-Kandidatin Andrea Henze, im Rathaus bisher Dezernentin für Arbeit, Soziales und Gesundheit.

Am 28. September wird sich Henze damit in einer Stichwahl dem AfD-Mann Mann Norbert Emmerich stellen müssen, der auf 29,8 Prozent der Stimmen kam. Emmerich erklärte bereits, er schiele bei der Stichwahl auf Wäh­le­r:in­nen der CDU.

Anm. der Redaktion: Dieser Text wurde am Tag nach der Wahl aktualisiert.

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2 Kommentare

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  • In Hamm liegt die SPD durchaus sehr gut und in Münster haben die Grünen ein gutes Ergebnis eingefahren. Zeigt uns doch durchaus, nicht alles Wähler sind verblendet. 👍👍

  • Schön ist das nicht.



    Insbesondere das Erstarken der "afd".



    Den Wahlkampf der SPD dann aber als Misserfolg zu bezeichnen, finde ich bei dem Negativtrend unzutreffend. Es wurde Schlimmeres verhindert.



    Warum die CDU gewählt wurde, verstehe ich kaum, vor Ort ist sie durch besondere Inkompetenz ausgezeichnet.



    Immerhin ist Bonn noch nicht verloren, mal sehen, was bei der Stichwahl passiert.



    Die Grünen sind als Blümchen am Revers der CDU etwas verkümmert, was schade ist.



    "So tun als ob" ist ja die bekannte CDU Umweltpolitik. Die kommenden zig Castor-Transporte im Land haben die Grünen mit Abgenickt. Das kam bei den StammwählerInnen nicht gut an.



    Baerbock und Habeck waren aber auch lange die Zugpferde der Grünen im ganzen Land. Durch sie wurden bei der letzten Kommunalwahl völlig Unbekannte, einfach, weil sie ein grünes Fähnchen hochhielten, gewählt.



    Das charismatische Spitzenduo ist nun Geschichte und da kommt so schnell nichts nach. Es geht eben nicht nur um Grundüberzeugungen, Politik ist auch stetes Werben für die eigene Position.



    Während die Ampel allen Koalitionären Platz bot, ist neben der Union (Merz, Wüst), wenig Beinfreiheit.