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Kommunalwahlen in Nordrhein-WestfalenDer Hammer für die SPD in Hamm

Spektakuläres Ergebnis für die SPD: Mehr als 63 Prozent holte OB-Kandidat Marc Herter für seine Partei in der Stadt Hamm im Nordosten des Ruhrgebiets.

So sehen Sieger aus: Marc Herther SPD -Foto von 2023 – wurde mit einer satten Mehrheit wieder gewählt Foto: Friso Gentsch/picture alliance

Bochum taz | Wie viel Potenzial Sozialdemokraten in ihrem einstigen Stammland Nordrhein-Westfalen noch immer haben, zeigt Hamms amtierender Oberbürgermeister Marc Herter. Der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, der einmal als Kronprinz der NRW-Genoss:innen galt, holte bei der Rathauschef-Direktwahl satte 63,6 Prozent. Stärkste Fraktion im Rat der knapp 180.000 Menschen zählenden Stadt ist die SPD mit 41,8 Prozent ebenfalls, gefolgt von der CDU mit 23,6 und der AfD mit 17,4 Prozent.

Geradezu deklassiert hat Herter hier im östlichen Revier die politische Konkurrenz: Nur 17 Prozent der Wäh­le­r:in­nen wollten den Christdemokraten Jochen Dornseifer als Oberbürgermeister sehen. Pierre Jung, Kandidat der rechtsextremen AfD, kam auf 13,6 Prozent.

„Wir haben hier eine Menge Rückenwind bekommen“, sagt Herter am Tag nach der Wahl bescheiden am Telefon. Dabei fährt der 51-Jährige, der sich in der Woche vor der Wahl in der Lokalzeitung Westfälischer Anzeiger als homosexuell geoutet hat, seit Jahren eine klare Strategie: „Wir haben uns um die Dinge gekümmert, die die Menschen am Abendbrottisch beschäftigen.“

Von der Strategie, sich maximal von der Partei zu distanzieren und zu betonen, dass man doch ganz anders ist als die angeblich so verstaubte SPD, halte ich gar nichts

Marc Herter, OB-Kandidat Hamm

Ziel sei, Hamm zur familienfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. Dazu seien die Kita-Gebühren für alle „mindestens halbiert“ worden, sagt Herter: Wer wenig verdient, zahlt nur 19 Euro für einen Kita-Platz.

Geld für Hamm

Außerdem fließt in Hamm viel Geld in die Infrastruktur: Die städtische Tochter „Hamm.Invest GmbH“ hat 100 Millionen Euro akquiriert und damit Turnhallen und Feuerwehrgerätehäuser gebaut und Schulen saniert. „Dadurch wird dann im Kernhaushalt Geld frei für die dringend notwendige Reparatur von Straßen, neue Fahrradwege, besseren Busverkehr“, erklärt der Rathauschef. „Wir machen hier eine ideologiefreie Verkehrspolitik. Die beinhaltet dann auch ein kostenloses ÖPNV-Ticket für Schü­le­r:in­nen und Auszubildende.“

Herter hat es so geschafft, in Hamm Aufbruchsstimmung zu verbreiten – dabei hat die Stadt, in der einmal vier Zechen liefen, unter dem Ende des Steinkohlebergbaus genauso gelitten wie der Rest des Ruhrgebiets. Am Anfang seien er und die SPD für das Thema „familienfreundlichste Stadt“ belächelt worden: „Interessiert niemanden, hieß es.“

Dazu kam eine bestens vorbereitete Wahlkampagne: Die Ge­nos­s:in­nen haben es geschafft, die lokale Identität Hamms mit der SPD und ihrem Kandidaten zu verschmelzen. „Von der Strategie, sich maximal von der Partei zu distanzieren und zu betonen, dass man doch ganz anders ist als die angeblich so verstaubte SPD, halte ich gar nichts“, sagt Herter. „So“, sagt er, „bekommt man die Bude auch kaputt.“

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