Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen: Der Hammer für die SPD in Hamm
Spektakuläres Ergebnis für die SPD: Mehr als 63 Prozent holte OB-Kandidat Marc Herter für seine Partei in der Stadt Hamm im Nordosten des Ruhrgebiets.

Geradezu deklassiert hat Herter hier im östlichen Revier die politische Konkurrenz: Nur 17 Prozent der Wähler:innen wollten den Christdemokraten Jochen Dornseifer als Oberbürgermeister sehen. Pierre Jung, Kandidat der rechtsextremen AfD, kam auf 13,6 Prozent.
„Wir haben hier eine Menge Rückenwind bekommen“, sagt Herter am Tag nach der Wahl bescheiden am Telefon. Dabei fährt der 51-Jährige, der sich in der Woche vor der Wahl in der Lokalzeitung Westfälischer Anzeiger als homosexuell geoutet hat, seit Jahren eine klare Strategie: „Wir haben uns um die Dinge gekümmert, die die Menschen am Abendbrottisch beschäftigen.“
Marc Herter, OB-Kandidat Hamm
Ziel sei, Hamm zur familienfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. Dazu seien die Kita-Gebühren für alle „mindestens halbiert“ worden, sagt Herter: Wer wenig verdient, zahlt nur 19 Euro für einen Kita-Platz.
Geld für Hamm
Außerdem fließt in Hamm viel Geld in die Infrastruktur: Die städtische Tochter „Hamm.Invest GmbH“ hat 100 Millionen Euro akquiriert und damit Turnhallen und Feuerwehrgerätehäuser gebaut und Schulen saniert. „Dadurch wird dann im Kernhaushalt Geld frei für die dringend notwendige Reparatur von Straßen, neue Fahrradwege, besseren Busverkehr“, erklärt der Rathauschef. „Wir machen hier eine ideologiefreie Verkehrspolitik. Die beinhaltet dann auch ein kostenloses ÖPNV-Ticket für Schüler:innen und Auszubildende.“
Herter hat es so geschafft, in Hamm Aufbruchsstimmung zu verbreiten – dabei hat die Stadt, in der einmal vier Zechen liefen, unter dem Ende des Steinkohlebergbaus genauso gelitten wie der Rest des Ruhrgebiets. Am Anfang seien er und die SPD für das Thema „familienfreundlichste Stadt“ belächelt worden: „Interessiert niemanden, hieß es.“
Dazu kam eine bestens vorbereitete Wahlkampagne: Die Genoss:innen haben es geschafft, die lokale Identität Hamms mit der SPD und ihrem Kandidaten zu verschmelzen. „Von der Strategie, sich maximal von der Partei zu distanzieren und zu betonen, dass man doch ganz anders ist als die angeblich so verstaubte SPD, halte ich gar nichts“, sagt Herter. „So“, sagt er, „bekommt man die Bude auch kaputt.“
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