piwik no script img

Kommunalwahlen in Nordrhein-WestfalenFahrradwege in Bonn sind keine Siegerstaße

In Bonn kommt die Oberbürgermeisterin Katja Dörner knapp in die Stichwahl. Ihr Amtsbonus wird von ihrer umstrittenen Verkehrspolitik überschattet.

Erfolgsrezept mit guter Laune, Sonnenblumen und Windrädchen: Wahlkampf der Grünen in Bonn im August 2025 Foto: Dominik Bund/imago

Am Tag danach geht der Wahlkampf für Katja Dörner weiter. Am Montag empfängt die grüne Bonner Oberbürgermeisterin die Bundesvorsitzende ihrer Partei. Gemeinsam mit Grünen-Chefin Franziska Brantner unternimmt sie eine Radtour durch die Stadt. Für die Kameras rollen sie über die Adenauer-Allee, eine der Hauptstraßen Bonns.

Der Umbau der Straße, ein zentrales Projekt in Dörners erster Amtszeit, ist umstritten. Doch seit diesem Jahr haben Rad­fah­re­r*in­nen zumindest testweise mehr Platz. So können die beiden Grünen-Politikerinnen tatsächlich nebeneinander fahren. Laut den Grünen vor Ort hat das Projekt im Wahlkampf eher genutzt als geschadet: Die Bürgermeisterin habe bewiesen, dass sie es ernst meint.

Im ersten Wahlgang am Sonntag holte Dörner 33 Prozent der Stimmen. Im Vergleich zur Wahl 2020 hat sie damit zugelegt. „Für mich persönlich war gestern ein sehr guter Tag“, sagt die ehemalige Bundestagsabgeordnete. Das Ergebnis sei eine „ausgezeichnete Startrampe für die Stichwahl“. Zur Wahrheit in Bonn gehört aber auch: Guido Déus, ihr Gegenkandidat von der CDU, lag am Sonntag rund 5 Prozentpunkte vor Dörner. Ihre Wiederwahl ist längst nicht sicher.

Eine Verkehrswende ist keine Sache für eine einzige Legislaturperiode

Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität am Wuppertal Institut

Ähnlich wie Dörner klingt am Montag auch die Bundesspitze der Grünen. Nicht nur Parteichefin Brantner, sondern der gesamte Bundesvorstand ist nach Bonn gereist. Am Tag nach der Wahl hält das Gremium hier eine Klausurtagung ab, für einen Pressetermin haben sie erfolgreiche OB-Kandidat*innen aus dem Bundesland um sich gescharrt. Neben Köln sind Grüne unter anderem in Düsseldorf, Münster und Paderborn in der Stichwahl. In drei kleineren Kommunen holten grüne Kan­di­da­t*in­nen schon im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent.

Kein Rückenwind aus Düsseldorf

Landesweit liegt die Partei mit 13,5 Prozent rund einen Prozentpunkt über dem Ergebnis, das sie bei der Bundestagswahl im Februar in Nordrhein-Westfalen holte. Auf diese Zahl konzentrieren sich die Grünen am Montag. „13,5 Prozent ist das zweitstärkste Ergebnis der nordrhein-westfälischen Grünen bei einer Kommunalwahl“, sagt Brantners Co-Vorsitzender Felix Banaszak. Das gebe Rückenwind für den Kurs, den man auch im Bund eingeschlagen habe: „Klar Kurs zu halten für eine ökologische, für eine progressive Politik und gleichzeitig nah am Menschen zu sein.“ Banaszak und die anderen Spitzen-Grünen genießen es sichtbar, mal wieder von einem Erfolgserlebnis sprechen zu können, und sei es noch so klein.

Zur Wahrheit auf Landesebene gehört aber auch: Im Vergleich zur letzten Kommunalwahl 2020 haben die Grünen 6,5 Prozentpunkte verloren, sie liegen jetzt hinter der AfD nur noch auf Platz 4. Die SPD, selbst in der Krise, ist außer Reichweite. Zum selbst gesetzten Anspruch der Grünen, führende Kraft der linken Mitte zu werden, fehlt im Moment ein gutes Stück.

Auf Nachfrage gesteht auch Banaszak das ein. Er begründet es mit dem Zeitgeist, der sich in den letzten fünf Jahren verändert habe: Klimaschutz stehe nicht mehr hoch im Kurs. Auch Fehler der Grünen in der Ampel-Regierung gesteht er mal wieder ein.

Was er nicht sagt: Auch aus der gemeinsamen Landesregierung mit der CDU kam für die grünen Kommunalos kein Rückenwind. Alle ihre vier Mi­nis­te­r*in­nen kämpfen in ihren Ressorts mit Problemen. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur muss als Wirtschaftsministerin den weiter laufenden Braunkohleabbau im rheinischen Revier verkaufen – und hat mit der Räumung des Dorfes Lützerath weite Teile der Klimabewegung verprellt.

Erfolglose Ministerinnen

Dazu kommt: Neubaur ist auch für die Atomaufsicht zuständig – und sieht sich entgegen der Versprechen des Koalitionsvertrags mit den Christdemokraten nicht in der Lage, die mindestens 50 drohenden Atommüll-Transporte aus dem Forschungszentrum Jülich ins münsterländische Ahaus zu verhindern. Verprellt wird so der Kern der Kernwählerschaft – die Anti-Atom-Bewegung, die die Grünen als Multiplikator jahrzehntelang gestützt hat.

Der grüne Verkehrsminister Oliver Krischer wird dagegen für das marode Straßennetz in NRW verantwortlich gemacht – auch wenn Katastrophen wie die wegen der einst einsturzgefährdeten, mittlerweile gesprengten Rahmede-Autobahnbrücke seit Jahren gesperrte A45 im Sauerland in der Verantwortung des Bunds liegen. Doch auch der Bau von Radschnellwegen, den sich Krischer auf seine Fahnen geschrieben hat, kommt nicht voran.

Und die grüne Integrationsministerin Josefine Paul steht wegen der nicht erfolgten Abschiebung des Messer-Attentäters, der in Solingen 3 Menschen getötet und 8 weitere schwer verletzt hat, in der Kritik. Der grüne Justizminister Benjamin Limbach muss sich dagegen wegen der Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts in Münster mit einer Duz-Bekannten verantworten.

Neben den Trends in Bund und Land sind bei Kommunalwahlen aber natürlich auch kommunalpolitische Faktoren Zentral. Bei Katja Dörner in Bonn hat eben vor allem die Verkehrspolitik in den letzten Jahren einige Gemüter erhitzt. Besonders die CDU fuhr im Wahlkampf Kampagne gegen Projekte, mit denen Dörners Mitte-Links-Regierung den Bonner Verkehr klimafreundlicher und sicherer machen wollte.

Gegenwind im Verkehr

Dörner befreite zum Beispiel einen Teil der Rheinuferpromenade von Autos, brachte die Neugestaltung des bekanntermaßen unschönen Busbahnhofs auf den Weg, richtete Fahrradstraßen ein, verbreiterte Fußwege und arbeitete ein neues Konzept fürs Parkraummanagement aus. „An vielen Stellen war zu Beginn große Skepsis“, gesteht Friederike Dietsch, Vorsitzende der Grünen Ratsfraktion in Bonn. Gegen die Verkehrsberuhigung am Rheinufer etwa habe es viel Gegenwind gegeben. „Jetzt ist das Resümee durchweg positiv, weil sich die Aufenthaltsqualität immens verbessert hat und es mehr Platz für Rad- und Fußverkehr gibt.“

Nur die Hauptverkehrsader Adenauerallee empört noch immer, wo der Stadtrat Autospuren für Radwege und Lieferzonen geopfert hat und wo jetzt der Verkehrsversuch mit nur noch einem läuft.

„Die Koalition aus Grünen, SPD, Linkspartei und Volt hat viele Maßnahmen für die Verkehrswende sehr konsequent durchgeführt“, betont Volker Kronenberg, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Bonner. „Das hat in der Stadt einerseits Zustimmung gefunden“ – schließlich hätten die Parteien Wahlversprechen gehalten und damit bei Bür­ge­r:in­nen gepunktet -, „aber auch zu starkem Unmut geführt“. Die Verkehrspolitik habe polarisiert, CDU und Grüne seien in der letzten Legislatur weiter auseinander gerückt. Das könnte das Regieren in der nächsten Amtszeit erschweren, schätzt Kronenberg.

„Eine Verkehrswende ist keine Sache für eine einzige Legislaturperiode“, sagt Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität am Wuppertal Institut. Viele Maßnahmen brauchen Zeit, oft würden Parteien abgewählt, bevor sich positive Effekte zeigen. „Es stimmt aber auch nicht, dass die Parteien, die die Verkehrswende voranbringen, dafür immer gleich bestraft werden.“

Wie es in Bonn ausgeht? Das entscheidet sich bei den Stichwahlen um die Rathäuser in rund zwei Wochen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare