Kommunikation per E-Mail: Nieder mit der Blindkopie

Dafür, dass E-Mails seit 1995 für alle nutzbar sind, gibt es erstaunlich wenig Forschung darüber, warum sie wie genutzt werden.

ein Cursor auf dem Ikon des Email-Postfachs

Wer Blindkopien schickt, dem wird misstraut – mit diesem Betreff sowieso Foto: Aguaviva/imago-images

Das Internet verändert sich stetig, nur die E-Mail bleibt gleich. Absender, Empfänger, Betreff, Weiterleiten, Kopie, Blindkopie, alles Elemente, die wir kennen, seit wir online sind. Vielleicht ist das ein Grund, warum sich diese Kulturtechnik im Arbeitsumfeld hartnäckig hält, wo doch Chats schneller, Fotos persönlicher und Videotelefonate produktiver sind. Dafür, dass E-Mails seit 1995 für uns alle frei zugänglich sind, gibt es erstaunlich wenig Forschung darüber, warum sie wie genutzt werden.

Schon klar, wir wissen mittlerweile, dass durchschnittliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer viel zu viele davon bekommen, und zwar im Schnitt 126 am Tag. Deren Bearbeitung nimmt rund drei Stunden in Anspruch. E-Mails lenken ab, überfordern und stressen. Aber wie werden sie eigentlich genau eingesetzt?

Eine Studie, die kürzlich in dem Fachjournal Computers in Human Behavior veröffentlicht wurde, geht dieser Frage nach. Die Forscherinnen und Forscher führten fünf Experimente durch, in denen es um die Nutzung der Blindkopie-Funktion („blind carbon copy“, abgekürzt BCC) geht. Diese Funktion erlaubt es, die E-Mail gleichzeitig an weitere Personen zu senden, ohne dass die anderen Empfängerinnen und Empfänger dies sehen können.

Weiterleiten ist Hintergehen

Knapp die Hälfte der Befragten gab an, im Arbeitskontext schon einmal eine solche Blindkopie verschickt zu haben; rund ein Viertel erzählte, schon einmal im Nach­hi­nein entdeckt zu haben, dass in einer E-Mail weitere „geheime“ Empfängerinnen oder Empfänger hinzugefügt worden seien. Warum nutzt man diese Funktion überhaupt? Dazu befragt, gaben die Teilnehmenden an, es sei eine gute Möglichkeit, Vorgesetzte über den Fortschritt eines Projekts zu informieren und ihnen zu signalisieren, dass sie nicht einschreiten müssten.

So weit, so verständlich. Nur: Teammitglieder, die Mails mit einer Blindkopie an Vorgesetzte versehen, machen sich unbeliebt. Das zeigten drei weitere Experimente, in denen ein Arbeitsumfeld simuliert wurde. Die Teilnehmenden bekamen eine Mail mit der Bitte, sich vorzustellen. Dann wurden sie informiert, dass eine Blindkopie dieser harmlosen Mail an den hypothetischen Chef oder die hypothetische Chefin ging. Sie beurteilten danach das Verhalten der Person, die die Blindkopie angefertigt hatte, bereits als moralisch fragwürdig und sahen sie als Führungsperson nicht geeignet.

Ähnlich verhielt es sich mit dem Weiterleiten von E-Mails; auch das mochten die Teilnehmenden nicht gerne. Befand sich die Mail­adresse des Vorgesetzten jedoch ganz transparent im „CC“, wurde das als okay empfunden.

Sind die Ergebnisse der Studie überraschend? Nicht wirklich. Niemand, schlussfolgerten die Autorinnen und Autoren, wird gern hintergangen, und so fühlt sich das geheime Senden von E-Mails nun mal an. Erstaunlich ist jedoch, wie häufig es dennoch vorkommt. Vielleicht ist es Zeit, diese Kulturtechnik zu überdenken.

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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