Kommunikationsberater über Euroretter: „Diese Plapperei ist nicht zu ertragen“

Der PR-Experte Klaus-Peter Schmidt-Deguelle ärgert sich über die desaströse Krisen-PR der Euroretter. Es fehle eine Vision für Europa. Die Politik müsse ehrlicher werden.

Die Koalition mache die Euro- zur Innenpolitik: „Sommerlochtheater“ Bild: dpa

taz: Herr Schmidt-Deguelle, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker spricht offen vom drohenden Ende der Eurozone, ein Pressetermin der Finanzminister Schäuble und Geithner auf Sylt wird abgesagt, obwohl das sicher prima Bilder gegeben hätte. Welchen Eindruck macht das auf Sie als PR-Experte?

Klaus-Peter Schmidt-Deguelle: Einen verheerenden – der Bürger bekommt das Gefühl, da braut sich etwas Schlimmes zusammen, die Märkte werden noch nervöser. Aber: Bilder von Schäuble und Geithner gab es ja nun doch, die beiden wollten nur nicht gemeinsam Journalisten Rede und Antwort stehen. Das macht auch Sinn, sie hätten nur erklären können, dass sie sich über die Rettung der Eurozone nicht einig sind – Geithner ist bekannt für klare Worte. Aus guten Quellen weiß ich, dass der US-Finanzminister um das Treffen gebeten hat, weil die US-Demokraten vor der Präsidentschaftswahl Angst haben, dass sich die Eurokrise negativ auf die heimische Wirtschaft auswirkt.

Und was sollen die alarmistische Worte von Herrn Juncker, für die Rettung der Eurozone sei nur noch wenige Tage Zeit?

Das stimmt ja – und er ist einfach stinksauer über den deutschen Dilettantismus: Juncker empört, wie kleingeistig die Berliner Politik ist. Sie verstrickt sich in einer irrwitzigen Abfolge von Notoperationen. Jüngstes Beispiel: Die Telefonkonferenz von Merkel mit Monti und Hollande am Wochenende: Danach wurden weder Maßnahmen noch Ziele verkündet, nur Wortblasen. An den Märkten entfacht das ein Strohfeuer. Alle schauen auf die EZB-Ratssitzung am Donnerstag …

dort zeigt sich, ob EZB-Präsident Mario Draghi eine Mehrheit für den Ankauf von Staatsanleihen hat. War die Ankündigung kein kluger Schachzug? Die Märkte waren beruhigt.

Es war gewagt, weil Draghi jetzt liefern muss – einer der Deutschen im EZB-Rat ist klar gegen die indirekte oder gar direkte Finanzierung von Staatsanleihen.

Nun stänkert die CSU gegen Juncker und Draghi, dauernd will irgendjemand die Griechen aus der Eurozone schmeißen. Was halten Sie von der Kakofonie?

Der 61-Jährige beriet die SPD-Minister Walter Riester und Hans Eichel. Heute sitzt der PR-Mann im Vorstand des Berliner Kommunikationsunternehmens WMP.

Sommerlochtheater. Dass die Deutschen die Euro- zur Innenpolitik machen, hat Juncker zu Recht kritisiert. Ob Rösler oder Seehofer – dieses Wichtigtun und Plappern ist nicht mehr zu ertragen. Bizarr auch, wenn Hessens FDP-Europaminister Jörg-Uwe Hahn die Bundesregierung auffordert, die EZB zu verklagen, weil sie Staatsanleihen aufkauft. Das macht die EZB „im Rahmen ihres Mandates“ seit zwei Jahren.

Sie haben das Image Hans Eichels als Sparminister geprägt. Was raten Sie den Eurorettern?

Die Politik muss sich ehrlich machen, zugeben, dass sich die Rolle der EZB geändert hat. Diese kann nicht mehr vorrangig Inflationshüter wie einst die Bundesbank sein. Ihre Geldpolitik muss stärker gestalten, wie die der US-Notenbank Fed. Und: Natürlich brauchen wir mehr Kompetenzen für Europa. Das Problem ist vergleichbar mit der „Verkaufe“ der Agenda 2010 durch Gerhard Schröder. Es fehlt auch jetzt ein „Überbau“, eine „Vision“ eine neue „Story“ für Europa!! Learning by doing hilft da nicht. Die Politik darf nicht den Eindruck vermitteln, dass sie keine Ahnung hat, wohin es geht. Für die Kommunikation braucht sie eine Roadmap, einen Masterplan, ein Ziel – das sehe ich bislang leider nicht.

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