Kongo: Milizionär nach Den Haag überstellt

Germain Katanga ist der zweite Häftling des Internationalen Strafgerichtshofs. Ihm wird die Verantwortung für ein Massaker an 200 Bewohner eines Dorfes zur Last gelegt

Noch im Jahr 2006 kämpften kongolesische Regierungssoldaten in der Unruheprovinz Ituri gegen Milizen Bild: dpa

BERLIN taz Der Internationale Strafgerichtshof hat seinen zweiten Häftling. Germain Katanga, ehemaliger Milizenführer in der Demokratischen Republik Kongo, wurde gestern aus der Haft in Kinshasa nach Den Haag überstellt. Der Gerichtshof erklärte, gegen Katanga sei am 2. Juli Haftbefehl ausgestellt worden.

Der 29-jährige Katanga war ein wichtiger Akteur bei den Konflikten zwischen den Volksgruppen der Hema und Lendu, die den nordostkongolesischen Distrikt Ituri an der Grenze zu Uganda 1999 bis 2003 heimsuchten. 50.000 Menschen starben, 500.000 wurden während des Ituri-Krieges vertrieben. Germain Katanga führte die FRPI (Patriotische Widerstandskraft in Ituri), eine bewaffnete Gruppe des kleinen Volkes der Ngiti, die Teil einer Lendu-Milizenkoalition war. Hauptgegner dieser Koalition war die Hema-Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten). Die Lendu- und Ngiti-Gruppen wurden von Ugandas Armee und Kongos Regierung unterstützt, die Hema-Gruppen von Ruanda und Ostkongos Rebellen.

Der Haftbefehl gegen Katanga hebt seine mutmaßliche Verantwortung bei einem Massaker im Dorf Bogoro am 24. Februar 2003 hervor. Der Angriff auf den kleinen Ort 25 Kilometer außerhalb von Ituris Hauptstadt Bunia war eine wichtige Etappe des Feldzugs gewesen, mit dem die Lendu-Gruppen zwischen September 2002 und März 2003 zusammen mit Ugandas Armee den Großteil Ituris von der UPC eroberten. Die UPC sagte damals, bei der Eroberung Bogoros seien 760 Zivilisten getötet worden.

Der Haftbefehl gibt die Opferzahl von Bogoro jetzt mit mindestens 200 an. "Überlebende wurden in einem Gebäude voller Leichen eingesperrt. Frauen wurden entführt und sexuell versklavt. Das Dorf wurde von der FPRI geplündert und zerstört", erklärte gestern Chefankläger Luis Moreno-Ocampo.

Das Schicksal der damaligen Kriegsgegner könnte unterschiedlicher kaum sein. Der einstige UPC-Führer Thomas Lubanga sitzt seit 2006 als allererster Häftling des Strafgerichtshofs in Den Haag im Gefängnis. Germain Katanga war zwischen Dezember 2004 und März 2005 General in Kongos Regierungsarmee, bevor er im Zusammenhang mit der Ermordung von neun UN-Blauhelmen aus Bangladesch bei Kämpfen in Ituri am 25. Februar 2005 inhaftiert wurde. Einer seiner wichtigsten einstigen Verbündeten, Rebellenchef Mbusa Nyamwisi, ist heute Kongos Außenminister.

Die Überstellung Katangas beendet einen Zustand, in dem bloß eine der damaligen Kriegsparteien Ituris in Den Haag angeklagt steht. Die Anklagepunkte gegen Katanga sind viel umfassender als die gegen Lubanga. Während Lubanga allein wegen Rekrutierung von Kindersoldaten der Prozess gemacht wird, wirft der Strafgerichtshof Katanga unter anderem Mord, sexuelle Versklavung und Angriffe auf die Zivilbevölkerung vor.

Nach Angaben des Gerichtshofs ist eine dritte Kongo-Anklage in Vorbereitung. "Der Kongo wird noch immer von Gewalt heimgesucht. Das muss ein Ende finden", sagte Moreno-Ocampo.

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