Kongolesischer Autor zur Wahl: Heute überwiegt Erleichterung

Ist Tshisekedis Sieg zu feiern? Immerhin: Das Volk hat das Regime abgewählt. Eine Stimme aus dem Ostkongo über die historische Bedeutung dieser Wahl.

Feierlaune in Kinshasa, 10. Januar Foto: reuters

BUKAVU taz | Tshisekedi Präsident! Es ist 4 Uhr morgens in Bukavu, als die Anspannung bricht. Acht Tage lang hatten die Wähler besorgt gewartet. Soldaten und Polizisten waren ausgeschwärmt, Internet und SMS-Dienste ausgeschaltet – alles deutete auf Manipulation zugunsten der Regierungskandidaten hin.

Wer ist dieser Felix Tshisekedi, der jetzt auf Joseph Kabila folgt? Er ist Erbe eines berühmten Namens und einer kampfgestählten Oppositionspartei, aber Spuren auf der politischen Bühne hat er wenige hinterlassen. Von daher ist er das kleinere Übel für die scheidenden Machthaber, und ihnen verdankt er seinen Sieg. Als Leichtgewicht der Opposition kommt er unter ähnlichen Umständen an die Macht wie sein Vorgänger Kabila 2001.

Das erklärt seinen versöhnlichen Diskurs gegenüber der scheidenden Staatsmacht. Aber immerhin hat diese nicht ihren eigenen Kandidaten Shadary zum Sieger ausgerufen. Das ist ein großer Schritt zur Befriedung des Kongo.

Die Wahlergebnisse zeigen, dass das Volk gegen das Regime gestimmt hat. Die Opposition insgesamt hat klar gewonnen. Das ganze komplizierte Wahlprozedere mit der Wahlmaschine hat sich am Ende ­gegen die Machthaber gewendet.

Zwar bereitet die Opposition jetzt eine Wahlanfechtung vor. Aber es wäre gut, wenn Martin Fa­yulu, das Schwergewicht der Opposition, jetzt nicht den Sieg des Volkes untergräbt, indem er den zum Sieger erklärten Kandidaten herabwürdigt.

„Friedliche und zivilisierte Übertragung der Macht“

Es sollte darum gehen, das System zu verändern, nicht Einzelpersonen auszutauschen. Unregelmäßigkeiten im Wahlprozess festzustellen kann nicht mit wissenschaftlicher Wahrheitsfindung gelöst werden, sondern nur mit Kompromissen.

Im Dorf Mbobero bei Bukavu, dessen gesamte Bevölkerung von der Armee verjagt wurde, weil der Boden plötzlich Privatbesitz von Joseph Kabila war, haben die Wähler nicht nur Wahlzettel in die Urne gesteckt, sondern Erwartungen: auf Wasser, Strom, Sicherheit, Löhne, Freiheit für politische Gefangene, ein Ende des Schuldeneintreibens durch Sicherheitskräfte, einen würdigen Empfang für Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege.

Das Volk hat getan, was man von ihm verlangte, es hat friedlich gewählt und über die verteufelten Wahlmaschinen gestaunt. Es darf jetzt nicht betrogen werden.

Kabila geht, obwohl das Volk seinen Wunschnachfolger an der Wahlurne hat durchfallen lassen – eine Reife, die man dem kongolesischen Volk nicht zugetraut hätte. Jetzt wird die Annäherung zwischen Kabila und Tshi­sekedi angepriesen als Mittel, Gewalt zu vermeiden und durch eine „friedliche und zivilisierte Übertragung der Macht“ nationale Versöhnung zu befördern.

Da gibt es sicher auch Hintergedanken. Heute überwiegt aber die Erleichterung.

In 100 Tagen wird man sehen, ob die neuen Regierenden dem Volkswillen entsprechen oder sich gegen ihn stellen. Dann liegt es am Volk, seine Interessen zu verteidigen, so wie es gekämpft und sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, damit diese Wahlen überhaupt stattfanden.

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