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Konkurrenz unter LeihfahrrädernPiep, piep, piep, wir haben alle den Wettbewerb lieb

Das Leihradunternehmen Lime schreibt saftige schwarze Zahlen, Konkurrenz gibt es kaum. Doch es gibt es gute Gründe, mehr Anbieter zu haben.

Limetten, Tiere, Chaos? Mehr Leihradanbieter bringen auch Vorteile mit sich Foto: picture alliance/dpa/Peter Kneffel

E s zwitschert in Berlin. Den Soundtrack des Sommers liefert weder die Amsel noch die Blaumeise, sondern die blecherne Warnanlage der weiß-grünen Lime-Leihfahrräder. Das penetrante Piepen fräst sich direkt ins Gehirn, während Jugendliche an einem vorbeidüsen. Seit einigen Wochen geben sich Use­r*in­nen auf Tiktok Tipps, wie man Lime-­Räder nutzen kann, ohne zu zahlen. Wer Kids beobachtet, wie sie Fahrräder anheben und aufs Hinterrad fallen lassen: Da wird gerade eine Radsperre zerstört.

Die Entdeckung ist an sich nicht neu, schon vor zwei Jahren unterhielten sich Use­r*in­nen auf Reddit, wie Lime-Räder in London gehackt werden. Das Piepen nervt, der Trend stachelt zu Diebstahl und Sachbeschädigung an. Alles ganz schön uncool.

Wie stark der Trend dem Unternehmen schadet, ist unklar, Lime hat den größten E-Scooter-Marktanteil in Europa und den Vereinigten Staaten. 2023 fuhren 150 Mil­lio­nen Mal ein gestresster Politiker (Armin Laschet, es geht um dich) oder zwei gefährlich wankende Jugendliche auf einem E-Scooter oder einem Rad des Unternehmens durch die Innenstädte dieser Welt. Lime machte 558 Millionen Euro Umsatz. Und das ist auch der Grund, warum die piepsenden Räder durch die Innenstädte düsen: Es gibt kaum mehr andere Anbieter.

Gut so? Oder sollte der Staat stärker eingreifen, damit wir bald wieder mehr Tiers, Bolts, Voi E, bitte überfahr mich nicht, siehst du nicht, dass ich nicht ausweichen kann, auf den Straßen rumrollen haben? Auch neben dem persönlichen Wohlbefinden gibt es gute Gründe, mehr Anbieter auf den Straßen zu haben. Auch wenn die E-­Scooter-Hate-Gang an dieser Stelle widersprechen würde.

Denn mehr Marktteilnehmer führen zu Wettbewerb. Gibt es mehr Anbieter, müssen sie sich um ihre Kundschaft bemühen: mit besseren Preisen, Produkten und Ideen. Wenn die Konkurrenz aber abnimmt, wird’s kritisch. Dann steigen die Preise, die Qualität sinkt, und der Fortschritt bleibt stehen.

Der Staat regelt

Genau deshalb passt der Staat auf. Das Bundeskartellamt prüft, ob Firmen zu viel Macht anhäufen. Etwa durch Fusionen, Preisabsprachen oder schlicht Marktverdrängung. Die Idee kommt von der ­Freiburger Schule, den Er­fin­de­r*in­nen des Ordoliberalismus. Er bildet die Grundlage für eine soziale Marktwirtschaft.

Der Staat soll nicht selbst eingreifen, aber für faire Spielregeln sorgen. Der Ökonom Joseph Schumpeter nannte das mal „schöpferische Zerstörung“, wenn neue Ideen veraltete Strukturen ersetzen. Warum das wichtig ist? Zum Beispiel bei der Produktion und beim Verkauf von Medikamenten – wenn nur ein Hersteller eine lebenswichtige Pille produziert, kann sie teuer oder plötzlich knapp werden. Oder bei digitalen Plattformen – Google dominiert die Suche, Amazon den Handel, Alternativen gibt’s, aber niemand nutzt sie, weil der Vorsprung zu groß ist. So entsteht Marktmacht, die kaum noch zu brechen ist.

Aber Wettbewerb ist nicht überall gut. Im Gesundheitswesen kann zum Beispiel zu viel Konkurrenz ­gefährlich werden. Wenn Kliniken wie Start-ups kalkulieren müssen, wird am Personal gespart. Und bei Bahn, Post oder Stromnetz bringen mehr Anbieter wenig, wenn die Schienen, Kabel oder Briefkästen trotzdem allen gehören. Da braucht es klügere Regulierung als möglichst viele Anbieter.

Daher ist Wettbewerb natürlich nicht das Allheilmittel. Aber manchmal, wenn es unaufhörlich piept, merkt man erst, wie laut eine Welt mit Monopolen sein könnte.

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Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund, war Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Auslandsressort und bei Taz2. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
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