Konny Gellenbeck zur Genossenschaft: Heute hieße das Crowdfunding

Warum wurde sie gegründet, wo stehen wir heute und was ist das besondere am Genossenschaftsmodell.

Konny Gellenbeck, Projektleiterin der taz Genossenschaft Bild: Barbara Dietl

Die taz ist seit über 25 Jahren eine Tageszeitung im Besitz ihrer LeserInnen. Wie fing das an?

Konny Gellenbeck: Das „Projekt Tageszeitung“ wurde 1978 von Menschen auf den Weg gebracht, die überwiegend nicht aus dem Journalismus kamen. Es waren junge Leute, die sich in Projekten der Friedens-, Frauen- oder Anti-AKW-Bewegungen engagierten und die nicht einverstanden waren damit, wie und worüber die traditionellen Tageszeitungen berichteten. Aus verlegerischer Sicht hatte die taz keine Chance, auch nur ein Jahr am Markt zu überleben. Aus politischer Sicht war aber diese neue publizistische Stimme überfällig.

Woher kam das Geld?

Heute würde man es Crowdfunding nennen. Die taz-Initiative bot 1978 in einem Prospekt an, eine andere Zeitung mit anderen Inhalten und einer anderen Selbstorganisation zu abonnieren. Eine Zeitung, die es noch nicht gab. 7.000 LeserInnen folgten diesem Angebot und bezahlten ein Jahresabo. Mit diesem Kapital ging die taz an den Start. Die taz war also von der ersten Ausgabe an ein Ergebnis von Lesersolidarität. Der Gründungsmythos der taz legte den Grundstein für alle weiteren Beteiligungsmodelle. Wer 1978 als Geburtshelfer ein Vorausabonnement für die taz gezeichnet hatte, war eine sehr konkrete, fast persönliche Beziehung eingegangen mit denjenigen, die die Zeitung herstellten. Die LeserInnen der taz fühlten sich für den finanziellen Erfolg ihrer Zeitung von Anfang an mitverantwortlich. Das ist der rote Faden, der sich durch die gesamte Unternehmensgeschichte der taz zieht.

Vierzehn Jahre später, 1992, ist aus dem selbstverwalteten Alternativbetrieb eine Genossenschaft hervorgegangen. Gab es noch andere Ideen?

Heute sichern mehr als 18.000 Menschen die ökonomische und publizistische Unabhängigkeit ihrer Zeitung. Nach dem Fall der Berliner Mauer veränderte sich der deutsche Zeitungsmarkt erheblich. Der Existenzkampf der taz ließ sich nicht mehr gewinnen. 1991 drohte die Insolvenz oder der Verkauf der Zeitung an einen Großverlag. In dieser größten Finanzkrise der taz-Geschichte entstand auf den Tipp von Olaf Scholz hin (damals Justiziar bei einem Genossenschaftsverband) der Plan, den taz-Verlag in eine Genossenschaft zu überführen. Aus LeserInnen wurden EigentümerInnen, also GenossInnen. Innerhalb von nur vier Monaten traten 2.000 LeserInnen der taz-Genossenschaft bei und zahlten 2,5 Millionen Euro. Die taz war gerettet. Sie zahlten einmalig mindestens 500 Euro, viele auch mehr. Bis heute ist das Kapital auf 17 Millionen Euro mit über 18.000 Mitgliedern angestiegen. Tendenz: steigend. Denn jedes Jahr kommen etwa 1.000 neue Mitglieder hinzu.

Was ist ihre Motivation?

Die taz wird von ihren LeserInnen und GenossInnen so nachhaltig solidarisch unterstützt, weil sie von Anfang an nicht profitorientiert gewirtschaftet hat. Eine Genossin hat ihr Engagement in der taz-Genossenschaft einmal damit begründet, dass sie von der taz eine „politische Rendite“ erwarte. Damit ist ein wichtiger Grund beschrieben, die taz zu alimentieren: Die GenossInnen sind sich bewusst, dass das journalistische Angebot der taz nicht auf Marktgängigkeit, sondern auf journalistische Relevanz ausgerichtet ist. Das ist der Motor, warum so viele mitmachen.

Was passiert mit dem Geld?

Die taz Genossenschaft finanziert dringend notwendige Investitionen, aber auch große Projekte. So wurden in den letzten Jahrzehnten alle konzeptionellen Veränderungen der Zeitung und auch jedes neue Layout vorfinanziert. Das dringend benötigte neue Redaktionssystem wurde 2016 mit 1,8 Millionen Euro bezahlt, um die journalistische Produktion für Print und online zu ermöglichen. Die deutsche Ausgabe der Le Monde diplomatique wurde von der Genossenschaft eingekauft und gehört heute zu einer erfolgreichen Geldquelle des taz Verlages. Das größte Projekt der Genossenschaft ist der taz Neubau, den wir im August 2018 beziehen werden. Innerhalb weniger Monate haben die GenossInnen über 50 Prozent der Finanzierung des 20-Millionen-Projekts ermöglicht.

Über 18.000 ist das nicht langsam genug?

Unser Ziel ist es, dass auch im digitalen Zeitalter die nächste Generation von taz-JournalistInnen unabhängig arbeiten kann. Dafür benötigen wir, wie es in der 40-jährigen Geschichte der taz immer war, viele Menschen, die diese Idee mittragen und mitfinanzieren. Unser Ziel steht auch schon fest: im Jahr 2020 wollen wir 20.000 GenossInnen sein.