Konstantin von Notz über Sicherheit: „Die Fußfessel ist Symbolpolitik“

Gefährder wie Anis Amri festzusetzen, findet der grüne Innenpolitiker richtig – wenn es klare Belege für eine Gefahr gibt.

Ein Mann hebt die Hände

„In Einzelfällen kann das vielleicht Sinn machen, eine schlüssige Antwort auf die Probleme ist es nicht“ Foto: dpa

taz: Herr von Notz, sind die Maßnahmen, auf die sich Innenminister de Maizière und Justizminister Maas im Kampf gegen islamistischen Terror geeinigt haben, sinnvoll?

Konstantin von Notz: Vieles davon sind Dinge, die die große Koalition längst hätte machen müssen – der Informationsaustausch zum Beispiel auf der europäischen Ebene funktioniert sehr schlecht. In einem freizügigen Europa brauchen wir ein funktionierendes System. Da ist absolut zu wenig gemacht geworden. Das gleiche gilt für den wichtigen Bereich der Prävention.

Sind 18 Monate Abschiebehaft und Fußfessel für so genannte Gefährder, die ja noch keine Straftat begangen haben, verhältnismäßig?

Die Fußfessel ist Symbolpolitik, sie wird keine Anschläge verhindern. In Frankreich hat ein Terrorist mit einer Fußfessel einem Priester in einer Kirche die Kehle durchgeschnitten. Das zeigt, dass man damit nicht effektiv für mehr Sicherheit sorgt. In Einzelfällen kann das vielleicht Sinn machen, eine schlüssige Antwort auf die Probleme ist es nicht.

Dass man einen abgelehnten Asylbewerber festsetzen kann, bei dem es wie im Fall Anis Amri konkrete Hinweise gibt, dass er einen Anschlag begehen will, das finde ich richtig – wenn es konkrete und hinreichende Belege für die Gefahr gibt. Was es in einem Rechtsstaat nicht geben darf, ist ein Gesinnungsstrafrecht. Wir werden die Regelungen der beiden Minister, wenn sie ausgearbeitet sind, sehr genau prüfen.

ist Jahrgang 1971, promovierter Jurist und seit 2009 Bundestagsabgeordneter der Grünen. Seit 2013 ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Die Minister sprechen über so genannte Gefährder – bundesweit einheitliche und klare Kriterien, was das ist, gibt es bislang nicht.

Das ist ein erhebliches Problem – europaweit, aber auch in Deutschland. Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum unterscheidet verschiedene Gefährdungsstufen. Wenn man an diese Einstufung als Gefährder rechtliche Konsequenzen knüpft, muss man das genau definieren, das ist bislang nicht der Fall. Bemerkenswert ist aber auch, worüber die Minister nicht gesprochen haben.

Zum Beispiel?

Das europäische Waffenrecht soll als Reaktion auf die Anschläge von Paris reformiert werden, dort wurden umgebaute Dekorationswaffen benutzt. Die Sicherheitsbehörden sagen, dass es Tausende von diesen Waffen in Europa auf dem Schwarzmarkt gibt, dagegen aber geht die Bundesregierung nicht entschieden vor. Ein weiteres Problem ist das fehlende Personal bei den Bundesbehörden. Jahrelang wurde Personal abgebaut, das kann man jetzt nicht so schnell wieder aufstocken.

Was halten Sie von der Idee, Länder, die ihre abgelehnten Asylbewerber nicht zurückzunehmen, unter Druck zu setzen – bis hin zur Streichung von Entwicklungshilfe?

Das ist eine wirklich schwierige Position. Das sagt ja auch der zuständige CSU-Minister. Diese Länder müssen ihre Leute zurücknehmen, aber das erreicht man nicht mit der Peitsche. Wir brauchen kollegiale Verhandlungen und Abkommen mit diesen Ländern.

Sie diskutieren auf Ihrer Fraktionsklausur auch über das Thema Sicherheit. Welche Konsequenzen würden Sie aus dem Fall Anis Amri ziehen?

Bis heute sind viele relevante Fragen nicht beantwortet, deshalb haben wir im Bundestag auch eine kleine Anfrage eingereicht. Wie ist er an die Waffe gekommen? Wer hat exakt entschieden, dass seine Gefährdung so schwach eingestuft wurde? Hat nicht nur die Polizei, sondern auch der Verfassungsschutz Amri überwacht?Wir wissen noch nicht, was schief gelaufen ist und was man effektiv verbessern muss. Verstörend ist, dass man so viele Hinweise auf die Gefährlichkeit dieses Mannes hatte und man ihn doch aus den Augen verloren hat.

Und wenn am Ende rauskommt: Letztlich war eine falsche Entscheidung der beteiligten Terrorfahnder, die Amris Gefährlichkeit auch in Abwägung zu anderen Gefährdern einschätzen müssen, entscheidend?

Das kann sein, wir wissen in der Tat noch nicht, ob es wirklich ein Versagen der Behörden gegeben hat. Man kann das Verhalten von Menschen nun mal nicht mit Algorithmen berechnen, diese Einschätzungen sind eine höllisch schwere Aufgabe. Es bleibt immer eine Unsicherheit. Aber wir müssen genau wissen, wie es gelaufen ist, um dann die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können.

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