piwik no script img

Konsuln der TalibanDie Abschiebung heiligt die Mittel

Kommentar von Emran Feroz

Zum ersten Mal seit ihrer Machtübernahme schicken die Taliban Vertreter nach Deutschland. Die zwei Konsuln sollen die Abschiebungen erleichtern.

Abschiebeflug von Leipzig nach Afghanistan am 18.07.2025 Foto: Jan Woitas/dpa

B ereits wenige Stunden nachdem der letzte Abschiebeflug aus Leipzig abgehoben war, um 81 afghanische Geflüchtete in ihre Heimat zu verfrachten, machte in afghanischen Kreisen eine Nachricht die Runde, die schon Wochen zuvor in der Luft lag: Vertreter der Taliban-Regierung würden bald nach Deutschland kommen, um zwei Konsulate im Land zu übernehmen. Konkret ging es um Berlin und Bonn. In München arbeitet das Generalkonsulat schon seit längerer Zeit mit den extremistischen Machthabern in Kabul zusammen.

In Berlin wurde Anfang der Woche offiziell, dass die Taliban erstmals seit ihrer Machtübernahme im August 2021 ihr eigenes Konsularpersonal nach Deutschland entsendet haben. Für die militanten Islamisten ist das ein deutlicher Erfolg. Erst vor Kurzem hat Russland das Regime offiziell anerkannt. Und nun ist irgendwie auch Deutschland an der Reihe, oder nicht? Nein, nicht ganz. Die Präsenz von Botschaftspersonal bedeutet keine offizielle Anerkennung – zumindest noch nicht.

So lauten die Regeln der Diplomatie. Doch für die interessiert man sich im Emirat der Taliban ohnehin nicht. Aus Sicht der Machthaber in Kabul ist das Handeln Deutschlands eine neue Zäsur, die zu ihren Gunsten stattfindet. Eingesperrte Journalisten und Menschenrechtsaktivisten? Bildungsverbote für Mädchen und Frauen? Folter und Ermordung ehemaliger Soldaten? All das scheint für Berlin keine Rolle zu spielen. Hauptsache, wir können wieder abschieben! Andere EU-Staaten werden wohl bald nachziehen und zur Normalisierung des Regimes beitragen.

Und die Taliban? Die fühlen sich ermutigt. Man kann wohl davon ausgehen, dass einige der Repressalien, die in Afghanistan seit ihrer Rückkehr zum Alltag gehören, bald auch in den Konsulaten in Berlin, Bonn und München zur Praxis werden. Umso bedauerlicher ist, dass die deutschen Kanäle zu den Taliban nie ernsthaft für einen gerechten Frieden im Land oder für humanitäre Hilfe genutzt worden sind. Stattdessen werden jetzt Abschiebungen vorangetrieben, in der Hoffnung, der AfD Wählerstimmen abspenstig zu machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Müsste man die Herrschaften nicht gleich nach ihrer Ankunft nach Den Haag ausliefern?



    Nein. Stattdessen liefern wir denen Menschen aus.



    Finde den Fehler!

    • @ Christoph:

      Direkt nach Den Haag, das wäre aber ein perfider Plan. Ist der Union zwar grundsätzlich zuzutrauen, in diesem Fall aber eher nicht.

  • China, Nicaragua, Venezuela, uvm. sind auch nicht viel besser. Gute Politik fängt mit der Anerkennung der Realität an.

  • Mit der DDR oder der UdSSR hat man auch geredet, obwohl es lupenreine Dikaturen waren. In der UN-Hauptversammlung sitzen mehr Vertreter von Diktaturen als von Demokrtatien.

  • Was für eine vollkommen abstruse eurozentristische Denke des Autoren.

    Wir können uns die Regierung in Afghanistan nicht aussuchen. Ob wir die Regierung nun anerkennen oder nicht ist vollkommen egal.







    Angesichts der vielen hier lebenden Afghanen braucht es dringend funktionierende Konsulate. Andernfalls würde das gesamte Passwesen außer Funktion gesetzt. Im schlimmsten Fall wären Neugeborene staatenlos, weil sich Deutschland verweigert, die Erlangung eines Passes zu ermöglichen.

    In naher Zukunft wird es auch wieder eine afghanische Botschaft in Berlin geben.

    Wenn wir die diplomatische Vertretung von moralischen Gesichtspunkten abhängig machen würden, müssten wir wohl eine Vielzahl von Botschaften schließen.

  • Die einstellung der von vielen Linken bejubelten Hamas zu Frauenrechten und Rechte für Queere Menschen unterscheidet sich nicht von der Einstellung der Taliban zu diesen Menscher.

  • Die Taliban regieren Afghanistan. Wer Realität ignoriert, verspielt Einfluss. Auch mit autoritären Staaten wie Saudi-Arabien oder Pakistan reden wir. Diplomatie ist kein Ritterschlag, sondern ein Mittel der Interessenwahrung.

    • @Peter Wenzel:

      D in Afghanistan: riskiert welchen Einfluss ?

      Der war gut, bitte noch so einen erzählen.

    • @Peter Wenzel:

      Aha, und was man mit diesen Herrschaften beredet spielt dann keine Rolle?

    • @Peter Wenzel:

      so ists. Und man kann davon ausgehen dass die taliban von einer Merhheit der Bevölkerung unterstützt werden, sonst wäre (1) das vorherige Regime nicht so schnell zusammengestürzt und (2) gäbe es innere Auseinandersetzungen. Die Taliban repräsentieren daher in gewisser Weise die afghanische Bevölkerung also muss man mit denen reden. Diese pharisäerhafte Beharren auf Prinzipien wie es in dem Artikel demonstriert wird ignoriert die Wirklichkeit.

      • @Gerald Müller:

        Das wurde in den 30ern auch über Nazi-Deutschland gesagt.



        Schön bequem !

  • Ja, es sieht so aus, als wären wir Jahrzehnte von der Bundesregierung belogen worden, die Taliban sind also keine Terroristen, die den Tod von tausenden Menschen zu verantworten haben, die Bundeswehrsoldaten wurden dann also auch umsonst getötet und verkrüppelt.

  • Was war denn von dieser völlig moralfreien Bundesregierung anderes zu erwarten? Menschenrechte, Völkerrecht oder Abstimmung innerhalb der EU scheinen keine Rolle zu spielen, solange man nur dem Populismus hinterherlaufen kann.

    • @Flix:

      Da muss man Realist bleiben. Wer gegen die Abschiebung ausreisepflichtiger Straftäter argumentiert, der treibt die Wähler erst recht in die Arme der AfD.

      • @Kunoberti:

        Die AfD zu bekämpfen, in dem man ihre Forderungen umsetzt? Nee danke, das ist mir zu billig und funktioniert sowieso nicht.

    • @Flix:

      Ich gebe Ihnen insgesamt recht, nur was die Abstimmung mit der EU angeht, liegen Sie zumindest beim Thema Abschiebung m.M.n. falsch. Die anderen EU-Staaten werden sicher nur zu gerne bald nachziehen, siehe



      taz.de/Verschaerfu...lpolitik/!6098864/

    • @Flix:

      Leider richtig, die AfD-Agenda muss schließlich abgearbeitet werden, gerne auch von den bürgerlich-konservativen Nazibotenjungen und -mädchen.



      Dafür sind dann plötzlich auch die Taliban als Gesprächspartner recht, denen man im Zweifel die örtlichen Hilfskräfte dann auch ausliefert. Doppelmoral vom Feinsten, einfach widerlich. Komischerweise wählt der Stammtisch weiter AfD, die Braunen sind in Umfragen auf Augenhöhe mit der Union.