Konsumforscher über Krise in Deutschland: „Sie schaffen sich Betongold an“

Der Konsumforscher Rolf Bürkl über gelassene Deutsche in der Krise, die geringe Angst vor Arbeitslosigkeit und die Binnenkonjunktur.

Pralle Einkaufstaschen: Bisher spüre noch niemand in Deutschland die Krise, sagt der Konsumforscher Rolf Bürkl. Bild: dpa

taz: Herr Bürkl, Ihr Institut befragt die Deutschen, wie sie die wirtschaftliche Lage einschätzen. Momentan wohl noch ziemlich gut. Steuern wir gerade ganz cool auf die Krise zu?

Rolf Bürkl: Tatsächlich sind die Deutschen, gerade wenn es um ihre eigene Situation geht, noch ziemlich gelassen. Das hängt mit der guten Lage im Land zusammen. Die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Tarifabschlüsse sind gut, die Leute haben mehr Geld in der Tasche. Außerdem ist die Inflation wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 2 Prozent gerutscht.

Das klingt, als ob die Bürger tanzen, bis das Schiff untergeht.

Bisher spürt einfach noch niemand die Krise. Es gibt zum Beispiel keine steuerliche Belastung, etwa um die Rettungsschirme zu finanzieren. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist auch gering.

51, Volkswirt, seit 1992 bei der Gesellschaft für Konsumforschung. Bürkl untersucht die Stimmung unter den Verbrauchern in Deutschland.

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, gilt nicht mehr?

Da hat sich etwas grundlegend verändert. Die Verbraucher gehen durchaus davon aus, dass die Konjunktur schwächer wird. Früher haben sie in solchen Phasen gespart. Das ist jetzt nicht mehr attraktiv, weil das Vertrauen in die Finanzmärkte erschüttert ist. Geld anlegen ist in den Augen der Verbraucher keine sichere Geschichte mehr. Hinzu kommt, dass wir historisch niedrige Zinsen haben. Man bekommt für seine Anlagen nichts mehr.

Dann kauft man eben eine Wohnung.

Genau das passiert. Die Leute sind wegen der Währung verunsichert und fragen sich, wie es mit dem Euro weitergeht. Also schaffen sie sich Betongold oder Schmuck an.

Ist es nicht normal, dass bei Krisen alle Immobilien wollen?

Seit der Krise 2008 unterscheidet sich das Verhalten grundsätzlich von früheren Konjunkturschwächen. Früher sind wir mit der Arbeitslosigkeit von Krise zu Krise wie auf einer Treppe nach oben gerutscht. Heute ist Deutschland neben Österreich das einzige Land in Europa, bei dem die Arbeitslosigkeit im Vergleich vor der Krise deutlich gesunken ist.

Kaufen wir uns aus der Krise?

Wir stemmen uns noch sehr dagegen. Die Binnenkonjunktur ist momentan eine wesentlich Stütze, früher war es nur der Export.

Wie genau befragen sie die Leute eigentlich?

Wir fragen etwa, wie sich die Preise entwickeln, die Arbeitslosigkeit oder ihr Einkommen. Das sind rein psychologische Faktoren und Meinungsäußerungen, die wichtig sind, um das künftige Konsumverhalten einzuschätzen. Dafür sind wir ein Frühindikator.

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