Kooperation mit Konzenentrationslagern: Weledas enges Verhältnis zu Nazis
Neue Erkenntnisse zeigen die Verstrickungen der Naturkosmetikfirma im Nationalsozialismus. Das Unternehmen will mit einer Studie nachlegen.
In zwei Bänden verdichtet Sudrow die weltanschaulichen Ambivalenzen und persönlichen Kontakte von Anhängern der Lehren von Rudolf Steiner zum NS-Herrschaftsapparat. Vor der Untersuchung für die KZ-Gedenkstätte Dachau hatte die Historikerin ein „positives Bild“ vom biologisch-dynamischen Landbau. Es habe sie jedoch auch „besonders überrascht, dass beim biologisch-dynamischen Landbau so viele Praktiken eine Rolle spielen, die nicht naturwissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen“ würden, sagte sie der taz.
Und die 55-Jährige betont: „Bedeutend fand ich, dass ich, je gründlicher ich mich mit der Materie befasst habe, desto mehr AnthroposophInnen gefunden habe, die bei der SS mitgearbeitet und sich für die Ziele dieses Gewalt- und Terrorapparats der NSDAP beziehungsweise der NS-Regierung engagiert haben.“ Schon in der Weimarer Republik wären viele AnthroposophInnen in Freikorps gegen die Demokratie aktiv gewesen, so Sudrow.
Versuche an KZ-Häftlingen
Die Kritik ist nicht neu. Die Dimension um so gewichteter. Bereits vor über 40 Jahren löste ein Artikel von Götz Aly die „taz-Weleda-Kontroverse“ aus. In dem Beitrag der taz von 1983 wurde auf einen Brief der Firma Weleda an den Dachauer KZ-Arzt Sigmund Rascher verwiesen, der die naturheilkundliche Frostcreme bei Unterkühlungsversuchen an KZ-Häftlingen erprobte. Die taz konnte belegen, dass Weleda selbst Vaseline vom SS-Sanitätshauptamt zugesandt bekommen hatte.
Raschers Vater war ein bekannter anthroposophischer Arzt. Der Sohn besuchte eine Waldorfschule, lernte in der Anthroposophenzentrale im schweizerischen Dornach die „empfindliche Kristallisation“ zur Beurteilung von Substanzen kennen. Bei den Versuchen im KZ Dachau starben 80 bis 90 Inhaftierte, stellte Sudrow fest.
In ihrer Studie mit über 800 Seiten erhärtet Sudrow zudem die Kritik an der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Im Sommer 1933 beschlossen biodynamische Verbände die Eingliederung in den NS-Staat. Erhard Bartsch, ein prominenter Anthroposoph, gründete den „Reichsverband für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Landwirtschaft und Gartenbau“, der das „Führerprinzip“ einführte und jüdische Menschen ausschloss.
In einer Rede würdigte Bartsch, der in Brandenburg 1928 einen bis heute bestehenden Demeterhof gründete, Adolf Hitler: „Deutscher Geist und deutsches Schwert werden dem kulturschaffenden Bauern die Zukunft sichern. Heil dem Führer.“ Elf Prozent der Verbandsmitglieder waren nachweislich in der NSDAP, stellte 2024 schon eine weitere Studie zu biodynamischen Bewegung fest.
Mitgründerin von Weleda über NS-Nähe 1933 besorgt
Neben Bartsch ist Franz Lippert ein weiterer wichtiger Akteur in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Er baute in Schwäbisch Gmünd den Heilpflanzengarten von Weleda auf. Sudrow führt aus, dass der Gärtner später 1941 im Kräutergarten des KZ Dachau wirkte. Er wurde dazu nicht gezwungen, sagt die Historikerin.
Auch der ehemalige Weleda-Gärtner Erich Werner arbeitete im Konzentrationslager, fand Sudrow heraus. Weleda erwähnt das in eigenen Studien nicht, sagt die Historikerin. Einige AnthroposophInnen waren auch im KZ Ravensbrück und Mauthausen an „Kräutergärten“ oder „Plantagen“ beteiligt.
In der besetzten Ukraine, nahe Schytomyr, bestand ein biodynamisches Versuchsgut. Diese Nähe sorgte schon 1933 die Vertraute von Steiner, Ita Wegmann. Die Mitgründerin von Weleda beklagte, dass in Deutschland „unsere Anthroposophen in großen Scharen mitmachen“.
Özdemir steht morgens mit Weleda auf
In einer Pressemitteilung hebt Weleda hervor, dass die Forschung von Sudrow „unter anderem auch Details zu Verbindungen von Weleda in der damaligen Zeit“ anführt, „die in der bisherigen Forschung möglicherweise noch nicht vollständig beleuchtet wurden“.
Möglicherweise? Bereits zu der „taz-Weleda-Kontroverse“ merkten die anthroposophischen Flensburger Hefte selbst enttäuscht an, dass das Unternehmen nur zugeben würde, was ganz genau belegt wurde. Einzelne KonsumentInnen mögen sich aber auch nicht so sehr mit der Geschichte auseinandersetzen.
Mit Weleda würde er morgens aufstehen und sich abends niederlegen, erklärte der ehemalige Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) jüngst bei einem Besuch eines Weleda-Logistikzentrums. Ob über die NS-Geschichte gesprochen wurde, ließ der grüne Landtagsspitzenkandidat gegenüber der taz offen. Er möchte doch gerade Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden – der bundesdeutschen Hochburg der Anthroposophie.
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