Kopten in Ägypten: Diesmal wird zu Hause gebetet

Am 7. Januar feiern die Kopten ihr Weihnachtsfest. Die orthodoxen Christen befürchten, zum Ziel von Anschlägen von Islamisten zu werden.

Ägyptische Kopten bei einem nächtlichen Protestzug nach dem Massaker in Kairo im Oktober 2011. Bild: reuters

KAIRO taz | Die Kinder hocken vor dem winzigen Weihnachtsbaum aus Plastik, der einzigen festlichen Dekoration, den sich die koptische Familie von Milad im Armenviertel Imbaba in Kairo leisten kann. Er steht auf dem Sofa und blinkt wild in allen Farben vor sich hin, während er jederzeit umzufallen droht. Auf der anderen Seite des Raumes steht ein verbeulter Gasofen, der für die Weihnachtsplätzchen vorgeheizt wird. Ägyptens Kopten, die 10 Prozent der Bevölkerung des Nillandes ausmachen, feiern ihr orthodoxes Weihnachtsfest am 7. Januar.

Doch die bescheidene festliche Atmosphäre trügt. „Ich habe meiner Familie verboten, heute Nacht zur Weihnachtsmesse zu gehen, aus Angst vor möglichen Anschlägen“, erzählt Milad, der als Fahrer arbeitet. „Wir können auch zu Hause beten.“ Er hat Angst, dass in der polarisierenden Atmosphäre des Landes die Islamisten ihren Ärger an den Christen auslassen könnten. Vor seinem Haus demonstrieren jeden Freitag die Muslimbrüder gegen den Militärputsch vom 3. Juli, der ihren Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet hat. „Die gehören alle eingesperrt,“ meint Milad.

Aber auch er weiß, dass das illusorisch ist, wenngleich er den ägyptischen Militärchef Abdel Fattah al-Sisi unterstützt, in der Hoffnung, dass das alles irgendwie besser wird. Wie genau? Milad schüttelt den Kopf. Er weiß nur, dass dies sein bisher schlimmstes Weihnachten ist.

Für die ägyptischen Kopten ist dieses Weihnachtsfest beileibe nicht das einzig angespannte der vergangenen Jahre. In der Silvesternacht 2010/2011 kamen bei einem Bombenanschlag auf die Al-Qadissin-Kirche in Alexandria 20 Menschen ums Leben, wenige Tage vor dem Fest und wenige Wochen vor dem Sturz Husni Mubaraks. Es gibt Hinweise, dass die Staatssicherheit hinter dem Anschlag steckte. Der Staat unter Mubarak hatte immer wieder die Kopten-Frage instrumentalisiert, um seine Hegemonie abzusichern.

Im folgenden Jahr fand das Weihnachtsfest einige Wochen nach einem Massaker statt, das das ägyptische Militär vor dem staatlichen Fernsehgebäude in Kairo angerichtet hat. Bei einer überwiegend koptischen Demonstration kamen mindestens 27 Menschen ums Leben, als das Militär zum Teil mit gepanzerten Fahrzeugen über die Demonstranten fuhr.

Der politische Albtraum

Doch dann materialisierte sich der politischer Albtraum der Kopten, als die Muslimbrüder und die Salafisten die Wahlen gewannen. Das vergangene Fest fand unter Mohammed Mursi statt. Unter den Kopten ging die Angst vor einer weiteren Islamisierung des Staates um, angeheizt von Hetze gegen Christen von Teilen der Islamisten und einer Verfassung, in der die Kopten erneut ihre Bürgerrechte nicht garantiert sahen.

Doch ausgerechnet die Absetzung Mursis durch das Militär und die blutige Auflösung der Protestlager der Muslimbrüder durch den Sicherheitsapparat im vergangenen Sommer führte zu einer weiteren Verschlechterung der Lage der Kopten. Laut ägyptischen Menschenrechtsorganisationen sind seitdem über 2.600 Personen umgekommen, mehr als beim Aufstand gegen Mubarak und überwiegend Anhänger Mursis. Diese sehen die Kopten hinter dem Sturz ihres Präsidenten, weil die Christen sich mehrheitlich hinter den Putsch gestellt hatten.

Allein in einer Woche im August griff ein Mob über 100 christliche Einrichtungen vor allem im südlichen Oberägypten an. Die ägyptischen Christen wurden nach dem brutalen Vorgehen gegen die Islamisten zum „Sündenbock“, schreibt Amnesty International.

Bevorstehendes Verfassungsreferendum

„Die Kopten sind weitgehend bereit, diesen Preis zu bezahlen, in der Hoffnung, dass ihre Lage in Zukunft besser wird“, erklärt Ishaq Ibrahim, der bei der ägyptischen Menschenrechtsorganisation für Persönlichkeitsrechte die Übergriffe gegen Kopten recherchiert. „Die meisten Christen stehen auch hinter dem Militärputsch und dem brutalen Vorgehen des Sicherheitsapparats gegen die Muslimbruderschaft“, fügt er hinzu.

Deswegen werden sie nächste Woche bei einem Referendum auch mehrheitlich für den neuen Verfassungsentwurf stimmen. Im Vergleich zu der unter Mursi verabschiedeten Verfassung wurden einige der Hardliner-Interpretationen der Scharia gestrichen. Doch der Paragraf, laut dem die Prinzipien der Scharia die Grundlage der ägyptischen Gesetzgebung darstellen, steht auch im neuen Entwurf.

„Die Christen stehen hinter der Armeeführung, vor allem weil es für sie keine vernünftige Alternativen gibt. Alle zivilen Alternativen, ihre Rechte zu garantieren, sind gescheitert“, erklärt Ibrahim. Dabei macht er sich aber keine Illusionen: „Weder unter Mubarak, noch unter den Muslimbrüdern, noch unter dem Militär wurden bisher die Bürgerrechte der Christen wirklich garantiert.“

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