Korruption und Betrug im Gewichtheben: Verschworene Reißer und Stoßer

Der neueste Thriller aus der finsteren Welt des Sportbetrugs spielt in der Gewichtheberszene. Dort hat man wenig Interesse an Aufklärung.

Positive Erscheinung: Michail Audsejeu, EM-Dritter mit Boldenon und Androsteron Foto: Schreyer/imago

Der neue McLaren ist da. Die Erwartungen waren hoch. Mit seinem Thriller über das staatlich orchestrierte Doping in Russland hatte der kanadische Anwalt Richard McLaren seine Leser:innen bereits in seinen Bann geschlagen. Seine Story über pharmazeutische Sportcocktails, manipulierte Dopingproben und die Rolle des russischen Geheimdienstes ist längst ein Klassiker. Der McLaren-Report ist Standard-Lektüre für alle, die sich für die Geschichte der Wettberwerbsmanipulation im Sport interessieren.

Der neue Report aus dem Team des Sportrechtlers beschäftigt sich mit dem Intenationalen Gewichtheberverband IWF und der Rolle, die dessen langjähriger Präsident Tamás Aján darin gespielt hat. Und wieder ist es McLaren gelungen, einen Krimi der Extraklasse vorzulegen. Es ist die Geschichte eines Sportfunktionärs, der sich einen Internationalen Verband zu eigen macht.

Es ist die Story eines Mannes, der es zur Meisterschaft gebracht hat, Verbandsgelder auf private Konten umzuleiten, der ein System geschaffen hat, durch das sich nicht mehr nachvollziehen lässt, welche Mittel für welchen Zweck verwendet wurden. Der Verbleib von über 10 Millionen Dollar lässt sich nicht mehr klären.

Es ist die Geschichte eines kleinen, aber umso selbstherrlicheren Sportkunktionärs, der einen Verband in eine veritable Diktatur umbaut, der es versteht, die Gremien gleichzuschalten und der keine Scheu hat, sich bei anstehenden Wahlen Stimmen zu kaufen. Und, wie bei einem guten McLaren nicht anders zu erwarten – es ist ein Lehrbuch darüber, wie man positive Dopingtests einfach unter den Tisch fallen lässt, um den Ruf von Gold- und Silbermedaillengewinnern bei Weltmeisterschaften nicht mit dem Makel des Sportbetrugs zu beflecken.

Fehlender Aufklärungswille

Dieser Thriller um einen Gewichtheberfunktionär, der sich eine olympische Sportart unterwirft, ist keine Fiktion. Sie ist das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung, die beauftragt wurde, nachdem eine ARD-Dokumentation die Machenschaften des Tamás Aján aufgedeckt hatte. Der Bericht geht noch über die Anwürfe hinaus, die in der TV-Doku erhoben wurden. Aus dem Internationalen Olympischen Komitee wird mitgeteilt, man wolle den Report „sorgfältig“ lesen. Am Ende könnte das Gewichtheben seinen Status als Olympische Sportart verlieren.

Dafür liefert der Report viele Gründe. Nicht nur der traditionell tiefe Dopingsumpf und die fehlende Bereitschaft diesen auszutrocknen, sprechen für einen Ausschluss. Es ist das mangelnde Interesse an Aufklärung aus der Gewichtheberszene selbst, welches das IOC nachdenklich machen sollte. Im neuen McLaren ist nachzulesen, dass die meisten Funktionäre aus dem Exekutivkomitee des Verbands nichts zur Aufklärung der Affäre Aján beitragen wollten, obwohl sie dies zuvor zugesichert hatten.

Nur zwei von acht gewählten Vorstandsmitgliedern haben auf die Fragen von McLarens Team geantwortet. 20 Präsidenten oder Generalsekretäre nationaler Verbände hat McLaren kontaktiert. Nur ein einziger davon hat den Ermittlern Informationen zur Verfügung gestellt. Und es gab nur einen einzigen, aktiven Athleten, der mit dem Team von McLaren gesprochen hat. Eine Whistleblower-Hotline sei weitgehend ungenutzt geblieben. Im Report wird festgestellt: „Der Appetit von Mitgliedern und Interessenvertretern des Weltverbandes sich zu melden, war praktisch nicht vorhanden.“

Das ist die vielleicht erschütterndste Erkenntnis aus dem Report. An Aufklärung gibt es kaum Interesse. Tamás Ajáns Bemühungen, den Verband gleichzuschalten, wirken nach.

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