Kosten und Nutzen unklar: Über Geld spricht man nicht

Die Bremer CDU würde gerne wissen, in welchem Verhältnis Kosten und Nutzen eines Heims für Unbegleitete stehen. Der Senat will das aber nicht verraten

Rechner auf Geldscheinen

Wer rechnen will, braucht Zahlen. Doch vom Senat gibt's die nicht. Foto: dpa/Jens Kalaene

BREMEN taz | Seit November 2014 bringt Bremen junge Männer, die alleine nach Bremen geflohen sind, in Bremen Nord in einem Heim des Ex-Boxers Lothar Kannenberg unter. Anfangs wurde dieses heftig angefeindet: Kannenberg bekam Morddrohungen, es gab Demonstrationen und Hetze im Internet gegen die Einrichtung.

Der Grund: Dort werden minderjährige Geflüchtete untergebracht, die wegen Gewalt und Drogen aus anderen Heimen geflogen sind. Die CDU wollte jetzt von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) wissen, wie zufrieden sie mit der Arbeit der „Akademie Kannenberg“ in der Rekumer Straße ist und was diese eigentlich kostet.

Die Antworten sind vage. 20 Jugendliche, so viel erfuhren die Mitglieder der parlamentarischen Sozialdeputation jetzt, haben seitdem dort gelebt. Aber: Acht Jugendliche zogen aus eigenem Antrieb fort – davon sechs schon im Dezember 2014, sieben mussten gehen, weil auch die Akademie Kannenberg nicht mit ihnen fertig wurde, sie sich selbst oder andere gefährdeten. Immerhin einer konnte in eine eigene Wohnung ziehen. Bleiben nur noch vier Jugendliche, die derzeit dort leben, mit einer Ausnahme fast seit Beginn. Platz hätten acht.

Trotzdem ein Erfolg?

Dennoch hält die Sozialsenatorin die Arbeit der Einrichtung für erfolgreich. „Während des Aufenthalts der Jugendlichen in der Einrichtung hat sich die Wirksamkeit dieser Maßnahmen vor allem darin erwiesen, dass die Delinquenz der Jugendlichen in erheblichem Umfang zurückgegangen ist“, heißt es in einem Schreiben an die Deputierten.

Am Donnerstag wiederholte die Senatorin diese Einschätzung in einer Sitzung der Deputation. „Sie machen weniger Mist“, sagte Stahmann, dies habe auch die Polizei bestätigt. Zum pädagogischen Konzept – auch das hatte die CDU interessiert – konnte sie weniger sagen und schlug vor, sich dieses noch einmal im Jugendhilfeausschuss vorstellen zu lassen.

Gar keine Antwort gab es auf die Frage nach den Kosten. „Nur so können wir doch beurteilen, ob Kosten und Nutzen in einem guten Verhältnis stehen“, kritisierte die sozialpolitische Sprecherin der CDU, Sigrid Grönert.

Geheimis gegen Preisdiktat

Im sozialpädagogischen Bereich würde man das grundsätzlich nicht offenlegen, sagte Stahmann dazu. „Wir wollen nicht, dass uns die Preise diktiert werden.“ Sie habe es oft genug erlebt, dass Träger ihre Preise anheben, wenn sie mitbekommen, dass die Konkurrenz höhere Sätze ausgehandelt hat. Außerdem seien es die Träger selbst gewesen, die stets auf Geheimhaltung gedrungen hätten.

Dies sagte Stahmann, nachdem zu ihrer Überraschung ausgerechnet die Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, Silvia Gerking, anmerkte, sie teile den Wunsch der CDU nach mehr Transparenz.

Wie ein Träger seine Kosten kalkuliere, gehe niemand etwas an, sagte die Geschäftsführerin des Dachverbands auf Nachfrage der taz. Aber sie halte es für gut, wenn die Endpreise veröffentlicht würden, wie es beispielsweise bei Seniorenpflegeheimen üblich sei. „Da kann jeder nachlesen, was so ein Platz kostet.“ Das wäre auch wichtig für die SachbearbeiterInnen in der Behörde, wenn sie über Maßnahmen etwas zur Heimunterbringung entscheiden.

In intensivpädagogischen Einrichtungen wie der Rekumer Straße, in der das Betreuungsverhältnis nahezu eins zu eins beträgt, seien Tagessätze von durchschnittlich 350 Euro üblich, sagte Stahmanns Sprecher Bernd Schneider am Freitag.

Geschlossene Unterbringung kommt

Im Sommer sollen in Bremen zwei weitere solcher Heime für extrem delinquente Jugendliche eröffnet werden. Laut einem vergangene Woche veröffentlichten Konzept des Senats wird es zehn Plätze in Bremen Nord „Am Sattelhof“ geben und weitere acht an einem nicht genannten Standort. Wenn sie sich in diesen Heimen bewährt haben, sollen die Jugendlichen in die Rekumer Straße ziehen.

Ab Ende 2017 soll es dann wie berichtet auch ein Heim in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt im Blockland geben, in dem junge Männer bis zu drei Monaten eingesperrt werden können. Dieses in Kooperation mit Hamburg betriebene geschlossene Heim ist in Bremen umstritten. Statt viel Geld für den Umbau – geschätzte fünf Millionen Euro – und den Betrieb auszugeben, hatte unter anderem die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Susanne Wendland, gefordert, die Straßensozialarbeit mit den unbegleiteten Jungen auszubauen.

In dem neunseitigen Konzept des Senats steht dazu ein Satz: Diese würde „ausgebaut.“ Und während es für die Heime genaue Zeit- und Platzangaben gibt, fehlt hier jedes Detail. Von der Notschlafstätte in Bahnhofsnähe, wie sie sich Wendland und einige StreetworkerInnen der Jugendlichen wünschen, ist gar keine Rede.

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