Kostenexplosion beim Bahnhofsbau: Tage der Wahrheit für Stuttgart 21

S21 könnte um weitere 1,5 Milliarden Euro teurer werden. Die grün-rote Landesregierung will nicht mehr zahlen. Grünen-Politiker äußern verhaltene Kritik.

Schwäbische Wutbürger. Bild: dpa

STUTTGART taz | Eigentlich sollte der kommende Mittwoch ein angenehmer Tag für Bahnchef Rüdiger Grube werden. Obwohl sein Vertrag erst Ende 2014 ausläuft, soll er Medienberichten zufolge bereits jetzt um weitere fünf Jahre verlängert werden. Doch nun könnten Grube und sein Technikvorstand Volker Kefer in der Aufsichtsratssitzung unter Druck geraten. Sie müssen am Mittwoch dem Kontrollgremium Mehrkosten beim Großprojekt Stuttgart 21 präsentieren – und das offenbar in Milliardenhöhe.

„Am Mittwoch kommt alles auf den Tisch“, zitierte der Radiosender HR-Info am Donnerstag einen Vertreter der Bahn AG. „Insgesamt läuft es auf Kosten von sechs Milliarden hinaus.“ Also 1,5 Milliarden Euro mehr, als die Finanzierungsverträge vorsehen. Der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro wäre endgültig gesprengt.

„Es ist schon erstaunlich, dass der Vertrag eines Vorstandschefs verlängert werden soll, wenn die Kosten bei einem zentralen Projekt so exorbitant aus dem Ruder laufen“, sagte der Landeschef der baden-württembergischen Grünen, Chris Kühn, am Freitag der taz. „Der Aufsichtsrat muss jetzt seiner Aufsichtspflicht nachkommen.“

Immer wieder waren mögliche Mehrkosten diskutiert worden, doch stets bestritten Bahn und Befürworter vehement die Befürchtungen der Projektgegner. Lange priesen sie das politisch gewollte Projekt als das „bestgeplante“ an. Grube selbst sprach noch vor einem Jahr von einer „Sollbruchstelle“ bei 4,526 Milliarden Euro. „Aber da haben wir noch einen Puffer von mehreren hundert Millionen Euro“, so Grube in einem Zeitungsinterview – kurz bevor die Bürger über S 21 abstimmten.

Leise Töne aus Rücksicht

Wurden Mehrkosten damals bewusst verschleiert? Die Bürger belogen? Diese Fragen stehen nun im Raum. Auch Grünen-Politiker regen sich hinter vorgehaltener Hand auf. Öffentlich äußern sich die grün-rote Landesregierung und die Grünen jedoch zurückhaltend – sei es in Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit mit der Bahn, sei es aus Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD, der das Projekt mehrheitlich befürwortet.

„Mögliche Mehrkosten wurden bei der Schlichtung thematisiert, sie waren Thema bei der Volksabstimmung – da muss man sich schon fragen, ob die Bahn die Bevölkerung und die Projektpartner in den vergangenen Jahren transparent informiert hat“, deutet Grünen-Chef Kühn Zweifel an. „Für mich ist es schwer zu verstehen, dass es ein Jahr nach der Volksabstimmung eine Kostensteigerung von 1,5 Milliarden Euro geben soll.“ Nun stehe der Aufsichtsrat der DB in der Pflicht. „1,5 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Die Bahn muss sich überlegen, wie sie mit diesem Unternehmensrisiko umgeht.“

Denn klar ist: Bund, Land und Stadt Stuttgart weigern sich bislang, sich an Mehrkosten zu beteiligen. „Die Bahn kann nicht auf eine Beteiligung des Landes hoffen. Das weiß sie nicht erst seit gestern. Das weiß sie von Anfang an“, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in der vergangenen Woche gesagt. Und darin ist er sich sogar mit seinem Koalitionspartner SPD einig.

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