Kostenfreie Bildung: Campus-Maut kommt vom Staat

An Niedersachsens Hochschulen kann bald wieder gebührenfrei studiert werden – wenn es nicht zu lange dauert.

Die Botschaft ist klar - und nun auch vertraglich umgesetzt. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine Ära geht zu Ende: Niedersachsen schafft am heutigen Dienstag als letztes Bundesland die Gebühren für das Erststudium ab. Damit löst die rot-grüne Regierung ein Wahlversprechen ein – jedoch erst zum Wintersemester 2014/15, nicht schon im Sommer. Die 2002 – unter SPD-Herrschaft – etablierten Langzeitstudiengebühren bleiben, ebenso der Verwaltungskostenbeitrag von 75 Euro. Immerhin wird die Strafe für zu langes Studieren auf 500 Euro pro Semester gesenkt. Bisher waren je 600 bis 800 Euro fällig, wenn die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschritten wurde.

Durch die gekippte Gebühr entgehen dem Land geschätzt 67 Millionen Euro im kommenden Jahr sowie knapp 130 Millionen für die darauf folgenden Jahre. Das Sinken der Langzeitstudiengebühren bedeutet ein weiteres Minus: 3,5 Millionen im Jahr Jahr 2014 und in den Folgejahren voraussichtlich je knapp sieben Millionen.

Die Landesregierung will die 21 Hochschulen für die ausbleibenden Einnahmen entschädigen – jedenfalls bis 2018. Ein kürzlich unterzeichneter Vertrag sichert ihnen vom Wintersemester 2014/15 an mehr als 120 Millionen Euro an Ausgleichzahlungen zu. „Damit ist Niedersachsen das einzige Land, dass die Abschaffung der Studiengebühren vollständig kompensiert“, sagt Grünen-Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic. Um das zu finanzieren, müssen andere Ministerien Geld abgeben. Auch die tarifliche Steigerung der Personalkosten will das Land bis 2018 zahlen.

Auch die anderen Bundesländer im Norden haben die Campus-Maut abgeschafft:

Bremen: Die 2005 eingeführte "Landeskinderregelung", wonach BremerInnen 14 Semester kostenlos studierten und alle anderen ab dem 3. Semester 500 Euro zahlten, ist verfassungswidrig.

Hamburg: Seit dem Wintersemester 2012/13 werden keine Studiengebühren mehr erhoben. Seit 2007 waren zunächst 500, dann noch 375 Euro fällig.

Schleswig-Holstein: Hier ist Studieren seit jeher kostenlos, egal wie lange es dauert. Selbst der Semesterbeitrag entfällt.

Das Budget der Hochschulen werde auf dem gegenwärtigen Stand bis 2018 gesichert, sagte der Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz, Jürgen Hesselbach. „Mit Blick auf andere Bundesländer erkennen wir an, dass diese Zusage keine Selbstverständlichkeit ist.“ Zufrieden ist der Präsident der TU Braunschweig trotzdem nicht: „Das Geld der Studierenden ist dauerhaft sicherer als Staatsgeld.“

Deswegen hatten die Hochschulen auch bis zur Wahl für den Erhalt der Studiengebühren gestritten. Sie sahen darin nicht nur einen „essenziellen Bestandteil“ ihrer Finanzierung, sondern auch einen „erheblichen Standortvorteil“. Zur Begründung verwiesen sie auf Millioneninvestitionen in Personal, verlängerte Öffnungszeiten, Stipendien oder Lehr und Lernmittel. Hesselbach bezweifelt, dass die versprochene Kompensation „wirklich dauerhaft“ gezahlt wird. Zwar hat Heinen-Kljajic ihr Wort gegeben – aber was ist nach der nächsten Landtagswahl? „Die Erfahrungen sind einfach so, dass letztendlich die Hochschulen oft die Gekniffenen sind“, sagt Hesselbach.

Zuletzt haben aber auch die Bayern ihre 2005 eingeführten Studiengebühren wieder abgeschafft: Nach einem Volksbegehren einigten sich CSU und FDP vor der Landtagswahl darauf, von den Studierenden ab dem Wintersemester 2013/14 nicht länger 500 Euro pro Semester zu verlangen. Doch wie die niedersächsische hat auch die bayerische Regierung den Hochschulen „vollständigen Ersatz“ für diese Beiträge versprochen – und dafür im aktuellen Haushalt 219 Millionen Euro bereit gestellt. Andere Länder haben die Campus-Maut schon früher aufgegeben. CDU und FDP in Niedersachsen lehnen das rot-grüne Gesetz dagegen ab.

Der Landes-Asten-Konferenz (LAK) wiederum geht das Angekündigte nicht weit genug: Sie streitet dafür, die „sozial ungerechten“ Bildungsgebühren „in jeglicher Form“ abzuschaffen – und das „sofort“. Mit dem Festhalten an den Langzeitstudiengebühren stellten sich die Grünen „ein politisches Armutszeugnis“ aus, heißt es weiter, und widersprächen ihren Aussagen vor der Wahl. Zwar ist von einer „sozialverträglichen“ Umgestaltung dieser Gebühr die Rede. Für den LAK ist das nur eine „Farce“ und „ideologisch begründet“. Wirklich sozialverträglich wäre es aus Sicht der studentischen Gremien nur, auf diese Abgabe ebenfalls zu verzichten. Auch die Piraten fordern ein sofortiges Ende der Studiengebühren: „Vorgeschobene Gründe“ für Verzögerungen seien nicht akzeptabel.

Die Zahl der Studierenden, die von der Reform profitieren können, ist zuletzt gewachsen: Die Zahl der Erststudierenden stieg in diesem Jahr – trotz der Gebühren – um 2,5 Prozent an, während sie in Bremen trotz der dortigen Gebührenfreiheit, um 3,9 Prozent sank.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.