Kostenloser Zugang zu Nordsee-Stränden: Streit trotz Gerichtsurteil

Janto Just ist nicht einverstanden damit, wie die Gemeinde Wangerland das Gerichtsurteil zu Strandgebühren umsetzt. Er droht mit einer neuen Klage.

Ein Sandstrand mit Strandkörben auf Wangerooge.

Sieht aus wie freie Landschaft, kostet aber Eintritt: Strand auf Wangerooge Foto: dpa

iHAMBURG taz | Die Strände an der Nordseeküste und auf den ostfriesischen Inseln sind von Zäunen umgeben. „Damit die Menschen bezahlen, bevor sie zum Meer gehen können“, sagt Janto Just, der seit Jahren gegen die Gebührenpflicht und für frei begehbare Strände kämpft. Er zog schon einmal gegen die ostfriesische Gemeinde Wangerland vor Gericht, weil sie die Mehrheit ihrer insgesamt neun Kilometer Strände vom Land Niedersachsen gepachtet, zu Strandbädern ausgebaut und dann Eintrittsgeld verlangt hat.

Just klagte durch alle Instanzen und im September 2017 kippte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Strandgebühr. Der Strand dürfe nicht in Gänze kommerzialisiert werden und müsse als Teil der freien Landschaft frei zugänglich sein. Das Wangerland hatte die Gebühr daraufhin für Hohenkirchen, Horumersiel und Schillig neu geregelt. Seit Juli 2018 gibt jetzt es Flächen ohne und mit Eintritt. Gerade erst hat die Wangerland-Touristik eine erste Bilanz gezogen. Das Unternehmen nimmt laut eigenen angaben pro Jahr rund 500.000 Euro mit der Gebühr ein.

Just will das so nicht hinnehmen und droht mit einer neuen Klage. Am vergangenen Montag stellte er Bürgermeister Björn Mühlena (SPD) per Brief ein Ultimatum von vier Wochen. Besonders stört ihn, dass der Weg zwischen Horumersiel und Schillig, der über zwei Kilometer am Wasser entlangführt, Geld kostet, weil er zu einem Strandbad gehört. „Ich sehe es nicht ein, jedes Mal drei Euro zu bezahlen, wenn ich einen Spaziergang am Meer entlang machen möchte“, sagt Just.

Angesichts einer eventuell neuen Klage lud ihn der Bürgermeister nur einen Tag nach Erhalt des Briefes zu sich nach Hause ein, zu einem Gespräch unter vier Augen. Laut Just kam ihm Mühlena zwar entgegen, doch für eine endgültige Entscheidung verwies er auf den Gemeinderat. Für Just ist das nur ein Manöver, womit sich Mühlena und die Gemeinde aus der Affäre ziehen wollen.

Das Bundesnaturschutzgesetz räumt in § 59 jedem das Recht ein, freie Landschaften kostenlos zu betreten. Darauf bezog sich auch das Urteil des Bundesverwaltungsgericht, dass eine „großflächige Kommerzialisierung des Strandzugangs im Wangerland“ für rechtswidrig hält.

Kostenlos zugänglich sind die Strände aber auch nach dem Urteil nicht. Für die Strände, die mit Kiosken, DLRG-Stationen, Duschen, WCs und Cafés ausgestattet sind, werden weiter Gebühren fällig. Nicht nur für die insgesamt neun Kilometer Strand im Wangerland, die die Gemeinde zu 90 Prozent vom Land Niedersachsen pachtet.

Auch auf Wangerooge, Juist und anderen ostfriesischen Inseln wird gezahlt: In der Regel sind es drei Euro für erwachsene Tagesgäste.

Björn Mühlena wiederum sieht sich und seine Gemeinde Wangerland in Sachen Strandeintritt im Recht. „Es gibt große Bereiche, auf denen Retter der DLRG sind, die gereinigt werden, die Toiletten und Gastronomie haben und wie ein Freibad genutzt werden“, sagt er. „Da ist eine Gegenleistung von drei Euro berechtigt.“ Laut Mühlena gibt es großen Zuspruch für die Strandbäder und auch für den FKK-Bereich, der nach der Urteilsverkündung des BVerwG so weit ausgebaut wurde, dass auch er hinter einer Bezahlschranke verschwand. In Hooksiel ist seither nur noch ein Drittel des Strandes kostenlos zugänglich.

In Justs Beschwerdebrief an den Wangerländer Bürgermeister, der der taz vorliegt, kritisiert er, dass gerade dieses Drittel aber nur eine Grünfläche und kein Sandstrand ist. Weil das Gras bis ins Meer reiche, könne man dort weder schwimmen noch ins Watt gehen.

Hooksiel ist nur einer von vielen Küstenorten entlang der Nordsee, der seit den 1970er-Jahren die Strände zu Freizeitbädern ausgebaut haben und seither Eintritt verlangen. Laut Just sind nur noch ein Viertel der Nordseestrände frei zugänglich, ginge man von der Fläche aus, wären es nur sechs Prozent.

„In anderen Urlaubsregionen gibt es Strände, die nur den Hotels gehören“, hält Mühlena dagegen. „Es ist ja nicht so, dass wir an den naturbelassenen Stränden abkassieren.“ Auch im Winter sei der Eintritt frei. Mit „naturnaher Strand“ sind jene Strände gemeint, auf denen keine Kioske, Duschen oder DLRG-Stationen stehen. Doch auch für Strände ohne Eismann und Toilette, wie auf den Nordseeinseln, bezahlt jeder Tagesbesucher Eintritt, der mit dem Fährticket verrechnet wird.

Dass Janto Just im September – nach Ablauf seines gesetzten Ultimatums – wirklich erneut gegen die Gemeinde klagen wird, ist nicht abwegig. Denn nur Gespräche mit dem Bürgermeister reichen ihm nicht mehr aus. Er will Fakten sehen und vor allem einen Strandspaziergang machen können, ohne bezahlen zu müssen.

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