Kostenloses öffentliches WLAN in Berlin: Acht Jahre Einwählzeit

Berlin bekommt endlich sein WLAN-Netz: Seit Mittwoch sind die ersten 100 Zugangspunkte freigeschaltet. Bis Ende des Sommers sollen es 650 sein.

Startseite des kostenlosen W-Lan in Berlin

Nach zehn Sekunden Werbepause kann's losgehen: Startseite des kostenlosen W-Lan in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Es gab Zeiten, da stand www für „warten, warten, warten“. Grund waren die Ende der 90er-Jahre oft extrem lahmen Internetverbindungen, an stationären Rechnern wohlgemerkt. Ein populärer Tennisspieler warb damals für einen Internetprovider mit der rhetorischen Frage: „Bin ich schon drin?“

Am Mittwoch ging in Berlin nun eine Wartezeit zu Ende, die gefühlt ebenfalls in den 90ern begonnen hat: Kurz nach elf Uhr nahmen die ersten Fragmente des vom Senat initiierten Umsonst-WLAN-Netzes den Betrieb auf. An bisher 100 so genannten Access-Points kann sich jeder mit Handy, Tablet oder Laptop ohne Anmeldung, kostenlos und zeitlich unbegrenzt mit dem Internet verbinden – und muss dafür nur anfängliche zehn Sekunden Werbung ertragen. Bis „Ende des Sommers“, so Vize-Senatssprecher Bernhard Schodrowskibeim symbolischen (und ziemlich analog-anachronistisch wirkenden) Knopfdruck vor dem Brandenburger Tor, sollen rund 650 Zugangsstationen funktionieren – viele, aber nicht alle innerhalb des S-Bahnrings.

Gerade rechtzeitig zum Beginn der Fußball-EM kommende Woche und der Fanmeile auf der Straße des 17. Juni will sich Berlin als der Zukunft zugewandte Stadt präsentieren. Jetzt sein man „mittendrin“, sagte Schodrowski – um hinzu zu fügen, man sei „jetzt kurz davor“.

Beides stimmt: Am Brandenburger Tor zum Beispiel sind hinter Fenstern der beiden Nebengebäude zwei Access-Points aufgehängt; über sie kann man sich im Umkreis von bis zu 80 Metern ins Netz „Free Wifi Berlin“ einwählen, erklärte Benjamin Akinci, Geschäftsführer der Firma abl Social Federation, die das Netz aufbaut. Tatsächlich klappte die Einwahl am Mittwoch; der starke Regen reduzierte aber die Verbindungsqualität merklich. Und die Fans auf der Fanmeile werden sich weiter auf ihr Handynetz verlassen müssen: In deren Nähe gibt es vom Brandenburger Tor abgesehen bisher keine erreichbaren Einwahlpunkte.

Überhaupt ist das Netz noch löchrig und keineswegs flächendeckend. Für ganz Berlin bräuchte man dafür laut Schodrowski bis zu 6.000 Access Points; immerhin 2.000 will Akincis Firma bis Ende 2017 installieren und dafür einen siebenstelligen Betrag investieren – nur 170.000 Euro davon kommen vom Land Berlin. 15 Mitarbeiter würden derzeit neue Standorte einrichten, so Akinci, täglich kämen neue Access Points hinzu. Öffentlich gekennzeichnet sind sie bisher nicht.

So gehts: Wer auf dem Handy oder Computer an einem der bisher 100 Standorte die WLAN-Verbindung "Free Wifi Berlin" auswählt, wird aufgefordert, sich statt klassischer Werbung ein für das Projekt produziertes Interview anzuhören. Es dauert rund zwei Minuten, kann aber nach zehn Sekunden abgebrochen werden. Danach ist das Surfen im Netz frei.

Werbepartner ist der Hörspielanbieter Audible, der in der Interviewreihe mit dem Titel Typisch Berlin "interessante Berliner Persönlichkeiten" von den Besonderheiten der Hauptstadt erzählen lässt.

Kostenloses WLAN gibt es bereits in vielen anderen europäischen Städten teilweise seit mehr als zehn Jahren, etwa in Helsinki, Talinn, London, Paris und Pforzheim. (taz)

Viele sind indes gar nicht direkt auf den öffentlichen Raum ausgerichtet: Von den ersten 100 befindet sich die Mehrheit in Gebäuden, etwa im Senioren- und Jugendclubs. Hauptproblem bei der Installation war weniger die Technik, berichtet Akinci, als der Denkmalschutz und die Bezirke. Ersterer lege Wert darauf, dass die kleinen Kästen mit Antennen an geschützten Gebäuden nicht zu entdecken sind; mit letzteren gestalte sich die Zusammenarbeit unterschiedlich.

Kein Access in Friedrichshain-Kreuzberg

In Friedrichshain-Kreuzberg etwa gibt es bisher keinen einzigen Access Point. Warum, kann Bezirkssprecherin Lisa Steiner auch nicht erklären. Man habe dem Senat eine Liste mit möglichen Standorten zukommen lassen. Steiner weist indes darauf hin, dass der Bezirk durch die Zusammenarbeit mit der Freifunker-Initiative etwa am Rathaus in der Yorckstraße ein eigenes offenes WLAN-Netz installiert hat.

An der Standortfrage war ein früherer Versuch des Senats gescheitert. Tatsächlich ist der aktuelle Anlauf bereits der vierte in acht Jahren. „Der Berg kreiste und gebar eine Maus“, kommentierte dann auch Stefan Gelbhaar, netzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, am Mittwoch. Generell hält er den Aufbau eines kostenlosen WLAN-Netzes für sinnvoll: „Nicht jeder Bewohner hat einen schnellen Internetanschluss.“

Anders die Piraten: Christopher Lauer erklärte im RBB, Berlin sei zehn Jahre zu spät dran; fast jedes Smartphone wäre mit seiner Übertragungskapazität leistungsfähiger.

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