Kreativer Stadtumbau: Der Traum vom Wohnen in Mitte

Eine der letzten Brachen an der Ackerstraße soll bebaut werden. Wenn es nach Baustadtrat Ephraim Gothe geht, soll hier auch sozialverträgliches Wohnen möglich sein

Der Plan von Baustadtrat Ephraim Gothe für das ehemalige Schulgelände an der Ackerstraße Bild: Infotext

Unbebaut, wuchernd, einzig ein frisch bepflanzter Park in der Mitte: Das Grundstück an der Ecke von Acker- und Invalidenstraße ist ein Unikat in der nahezu flächendeckend schick sanierten Rosenthaler Vorstadt. Der Liegenschaftsfonds will es verkaufen und bebauen lassen - wie und von wem, darüber streiten Bezirk und Senat. Dabei könnte das Land die Entwicklung der Brache zum Modell für sozial verträgliches Wohnen in der Innenstadt machen. Eine Entscheidung soll in diesem Monat fallen.

Auf dem Grundstück stand bis vor wenigen Jahren die Hemingway-Oberschule. Im vergangenen Jahr legte der Bezirk anstelle des Gebäudes einen Park an. Für die Parzellen an Acker- und Invalidenstraße, die vom evangelischen Pfarrhaus begrenzt werden, interessieren sich die Modemacherin Jette Joop und die Architekten vom "Graft"-Büro. Letztere sind auch als "Brad-Pitt-Architekten" bekannt, sie sollen mit dem Schauspieler befreundet sein und haben für ihn gearbeitet. Auch der Chorverband liebäugelte mit den Flächen, scheiterte aber am Geld.

Laut Bebauungsplan ist im nördlichen Teil ab dem ersten Obergeschoss nur Wohnen möglich, im südlichen Teil soll der Wohnanteil bei mindestens 30 Prozent liegen. Als reines Wohngebiet konnte das Gelände wegen der vielbefahrenen Invalidenstraße nicht ausgewiesen werden.

Schokoladen: Das Hausprojekt an der Ackerstraße 169 in Mitte hat eine ähnlich unsichere Rechtslage wie die gerade geräumte Liebigstraße 14. Das Haus wurde 1990 besetzt, später bekamen die Bewohner Mietverträge. Seit Jahren versucht jedoch der heutige Eigentümer die Bewohner rauszuklagen. Das Haus ist durch das ambitionierte Programm der Konzertkneipe "Schokoladen" bekannt. Auch der "Club der polnischen Versager" hat hier seinen Sitz.

Brunnenstraße 183: Dieses ebenfalls einst besetzte Haus gleich um die Ecke wurde im November 2009 geräumt. Der Eigentümer hatte zuvor angeboten, auf die Räumung zu verzichten und das Haus an die Bewohner zu verkaufen, wenn ihm das Land Berlin ersatzweise ein Baugrundstück auf der Brache des einstigen Schulgeländes an der Ackerstraße angeboten hätte. Das Bezirksamt Mitte hatte diese Lösung unterstützt. Senat und Liegenschaftsfonds waren jedoch nicht darauf eingegangen. Die Brunnenstraße 183 steht seit der Räumung leer.

Tauschgeschäft: Die Tauschidee greift Bezirksbaustadtrat Ephraim Gothe (SPD) nun wieder auf. Er will dem Eigentümer der Ackerstraße 169 ein Stück des landeseigenen Schulareals anbieten, falls dieser den "Schokoladen" an die Nutzer verkauft. So wäre das 20 Jahre alte Projekt gesichert. (ga)

Am 19. Januar sollte der Steuerungsausschuss des Liegenschaftsfonds über einen Verkauf entscheiden. Vertreter der Senatsverwaltung für Wirtschaft hätten allerdings nicht erklären können, was die Investoren am Standort planen, sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). "Es wurden keine Angaben zur Zahl der zu schaffenden Büroarbeitsplätze, zum Nutzungskonzept und zur Umsetzung des Wohnanteils gemacht", kritisiert er. Gothe intervenierte und legte ein eigenes Konzept vor: Der südliche Teil des Areals soll ausgeschrieben werden für kreativwirtschaftliche Nutzung. Von den insgesamt 4.250 Quadratmetern Bruttogeschossfläche könnten 70 Prozent als Büros genutzt werden - Raum für etwa 165 Arbeitsplätze. "Bei einer Ausschreibung müssten Joop und Graft ihre Pläne offenlegen, außerdem erhielten auch andere aus der Branche die Chance, sich zu bewerben", sagt Gothe.

Eine der anschließenden vier Parzellen möchte der Baustadtrat an Baugruppen vergeben, eine weitere könnte der Eigentümer des "Schokoladen"-Hauses weiter südlich in der Ackerstraße erhalten. "Mit der Bedingung, dass der Investor die Betreiber des Schokoladens im Gebäude lässt, könnte er die Parzelle an der Elisabethkirchstraße direkt erhalten", so Gothe. Seiner Ansicht nach ließe sich so ein Konflikt vermeiden, der sich zu einem Fall ähnlich der Liebigstraße 14 hochschaukeln könnte.

Besonderes Augenmerk indes liegt auf zwei Parzellen im nordwestlichen Teil, an der Ackerstraße: Der Bezirk dringt darauf, hier neue Wohnformen auch für finanziell schwächere Bewohner zu ermöglichen. Ein Teil der Wohnungen sollte Mietern mit Berechtigungsschein vorbehalten werden - was Investoren etwa mit lukrativen Loftwohnungen quersubventionieren könnten. Denkbar wäre auch, das Grundstück in Erbpacht an Genossenschaften zu vergeben.

"Man könnte hier Modelle erproben, die in anderen Stadtteilen zur Anwendung kommen", so Gothe. Er sieht darin eine Signalwirkung auch für die direkte Umgebung: Die Rosenthaler Vorstadt ist im Zuge der Sanierung nach der Wende zur Vorzeigeadresse geworden. Angestammte Bewohner sind vor den explodierten Mieten geflohen, statt Eckkneipen drängen sich exklusive Süßwarenlädchen neben Bio-Luxus-Bistros. Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten täten der Mischung im Viertel gut.

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hat Gothe auf seine Seite gebracht. Die zuständigen Sprecher Uwe Doering, Thomas Flierl und Jutta Matuschek forderten die Steuerungsrunde des Liegenschaftsfonds auf, die Grundstücke gemäß den Bezirksplänen zu vergeben. "Das Konzept entspricht den vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Grundsätzen einer Neuausrichtung der Grundstücksvergabepolitik des Landes", schrieben sie in einem Brief vom 14. Januar.

Die SPD-Fraktion unterstützt diese Position grundsätzlich. "Wir wollen eine Nutzungsmischung auf dem Gelände", sagt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Ellen Haußdörfer. "Von der Zielsetzung her" befürworte ihre Fraktion die Pläne des Bezirks. Allerdings müsse die Finanzierung sichergestellt sein. "Wohnen für umsonst kann es nicht geben."

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) wollte sich zu dem Fall und dem Votum seiner Fraktion nicht äußern - er ließ erklären, für den Fall sei der Finanzsenator zuständig. Der wiederum verweist auf das laufende Verfahren, das Vertraulichkeit gebiete. "Solange nichts entschieden ist, äußern wir uns nicht", sagte ein Sprecher. Gothes Befürchtung: "Der Finanzsenator will den Fall aussitzen." Der Steuerungsausschuss tagt wieder am 14. Februar.

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