„Kreatives“ Finanzinvestment: Kohle machen mit Kita und Altenheim

Demografie ist der einzig verlässliche Makrotrend für viele Investoren. Kindertagesstätten und Altenheime gelten als lukrativ. Das hat verschiedene Nachteile.

Eine moderne Kapitalanlage. Bild: dpa

HAMBURG taz | Nach den Plänen des Bundes und der Länder fehlen in Deutschland noch mehr als 200.000 Kita-Plätze. Um dieses politische Ziel zu erreichen, bedarf es nicht allein tausender neuer Erzieher, sondern auch vieler neuer Räumlichkeiten. Angesichts klammer öffentlicher Kassen versprechen sich Immobilieninvestoren vom Kita-Boom gute Geschäfte.

Mehrere Investmentgesellschaften haben mittlerweile begonnen, sogenannte Kita-Fonds aufzulegen. Als erster Fonds diese Art gilt „Kinder-Welten I“. 50 Millionen Euro konnte die Fondsgesellschaft Aviarent dafür in wenigen Monaten einsammeln. „Der Erfolg hat uns selbst überrascht“, freut sich ein Sprecher von Aviarent.

Angesichts historisch niedriger Zinssätze dürfte die Anleger wohl vor allem die prognostizierte üppige Rendite von sieben Prozent jährlich angelockt haben. Zudem gelten Kita-Renditen als recht sicher. Dafür sorgen die hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder, staatliche Förderprogramme und vergleichsweise lange Mietlaufzeiten.

Finanzinvestor Aviarent will in seinen „rund dreißig Objekten“ nicht selber Kinder hüten, sondern er will an Betreiber wie Städte, Sozialverbände oder Kirchen vermieten. Bei Aviarent setzt man darauf, dass der Kita-Boom auch nach dem Versiegen der öffentlichen Geldquellen, die voraussichtlich Mitte 2013 auslaufen, weitergeht. Man verspricht schon einen weiteren Fonds: „Kinder-Welten II kommt.“

Die letzten Zuckungen

Auch das Frankfurter Emissionshaus Habona Invest schnürt ein Kita-Paket. „Wir liegen in den letzten Zuckungen“, so ein Sprecher. Noch im Laufe des Januars soll der Vertriebsstart unter privaten Anlegern erfolgen. Habona will 30 Millionen Euro einsammeln. Das Konzept sieht vor, mit den Betreibern Mietverträge über zwanzig Jahre abzuschließen.

Als Betreiber kommen neben Kommunen und freien Trägern für Habona auch Elterninitiativen in Frage. Die Millionen sollen in zehn bis fünfzehn Kindertagesstätten vorrangig im Rheinland investiert werden. Johannes Palla, Gründungsgesellschafter von Habona Invest, sieht darin auch eine soziale Investition: „Der Bau von Kitas mit Hilfe von privaten Anlegergeldern ist gut für die Gesellschaft.“

Kritiker bezweifeln das. Sie sehen in den Kita-Fonds eine weitere Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Auch die Betreiber könnte die Fondslösung teuer zu stehen kommen. Addiert man die Verzinsung für die Anleger zu den Renditen, die Fondsgesellschaften üblicherweise für sich und den Vertrieb einstreichen, betragen die sogenannten Weichkosten schnell 20 Prozent und mehr des Eigenkapitals. Diese bezahlt der Betreiber über die Miete.

Fehlende Nachhaltigkeit

Dagegen käme der Bau einer Kita in Eigenregie oft um mehr als die Hälfte günstiger. Zudem ist kaum eine Fondslösung nachhaltig: Spätestens nach dem Ablauf der Mietverträge werden sich die Fonds branchenüblich von ihrer Immobilie trennen. „Wir rechnen für die Veräußerung der Kindertagesstätten zum Laufzeitende des Fonds mit erheblichen Verkaufserlösen“, gibt man bei Habona Invest zu.

Kitas gelten in der Finanzszene nur als Teil einer größeren Geschäftsidee: „Demografie ist der einzige Makrotrend, der heute mit großer Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann“, wirbt Aviarent, deren Zentrale im Steuerparadies Luxemburg liegt. Aviarent Capital Management S. à. r. l. konzentriert sich daher neben Kindertagesstätten auch auf Apartments für Studenten und auf Seniorenpflegeheime.

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