Kreuzfahrtbranche im Norden: Vollspeed auf hoher See

Norddeutsche Werften sind noch Jahre mit Aufträgen für Luxusliner ausgelastet. Weltmarktführer Meyer in Papenburg und die neue Lloyd-Gruppe liegen mit ihrer Technik vorn.

Superlative: Die Meyer-Werft baut die größten Kreuzfahrschiffe der Welt, etwa die 348 Meter lange „Anthem of the Seas“. Foto: Ingo Wagner (dpa)

HAMBURG taz | Die Zukunft an der deutschen Küste ist rosig. Dank des unvermindert boomenden Kreuzfahrtgeschäfts freut sich nicht nur die Tourismusindustrie über Zuwächse und hohe Erlöse, auch die norddeutschen Werften sind noch auf Jahre ausgelastet. Voraussichtlich bis Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen sie drei bis vier Schiffe pro Jahr ausliefern. Auch die Gewerkschaft ist zufrieden: „Wir sehen große Chancen für die Standorte und die Belegschaften“, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Grundlage für seinen Optimismus ist eine Studie der Bremer Agentur für Struktur- und Personalentwicklung (AGS), die im Auftrag der Gewerkschaft den globalen Markt für den Bau von Luxuslinern untersucht hat. „Wir sind überzeugt, dass die europäischen Werften ihren Vorsprung vor der Konkurrenz aus Asien noch einige Jahre halten können“, sagte Thorsten Ludwig, Autor der Studie. Hauptgrund dafür sei „gut ausgebildetes Personal und ein qualitativ hohes Netzwerk von Zulieferern“ in Norddeutschland.

Von 55 Kreuzfahrtschiffen, die derzeit weltweit in den Auftragsbüchern von Werften stehen, werden 22 in Deutschland gebaut, davon 19 von der Meyer-Werft in Papenburg an der Ems sowie in der Filiale im finnischen Turku. Gemessen an der Tonnage ist Meyer, das die weltgrößten Luxusliner herstellen kann, mit einem Anteil von gut 40 Prozent sogar Weltmarktführer (siehe Kasten). Das letzte Schiff soll Meyer 2023 ausliefern, aber Ludwig und Geiken sind optimistisch, dass der Auftragsbestand weiterhin hoch sein wird.

Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen hat der japanische Mitsubishi-Konzern bei dem Versuch, den Markt aufzumischen, Schiffbruch erlitten. Für die größte deutsche Kreuzfahrtreederei Aida sollten in Nagasaki zwei schwimmende Luxushotels gebaut werden: Die „Aidaprima“ ist mit einem Jahr Verspätung jetzt auf dem Weg in ihren künftigen Heimathafen Hamburg, das zweite Schiff soll mit weiterer Verspätung im Juni ausgeliefert werden. Bei dem 910-Millionen-Euro-Auftrag habe Mitsubishi, so raunt man in der Branche, einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro gemacht. Im März kündigte der Konzern an, sich aus dem Kreuzfahrtschiffsbau wieder zurückzuziehen.

Der Boom beim Neubau von Kreuzfahrtschiffen hält unvermindert an.

Aufträge: 2010 wurden 22 Luxusliner in Auftrag gegeben. 2015 waren es schon 40, im laufenden Jahr sind es 55 Schiffe.

Verteilung: Zurzeit bearbeitet die deutsche Meyer-Werft 13 Aufträge in Papenburg und sechs im finnischen Turku, die Lloyd-Gruppe hat drei. 24 Aufträge hat Fincantieri (Italien), acht STX (Frankreich) und einen Mitsubishi (Japan). Europas Marktanteil: 98,2 Prozent.

Auslieferungen: In diesem Jahr sollen neun Kreuzfahrer ausgeliefert werden, davon zwei von Meyer in Papenburg und eines von Meyer-Turku. 2018 liefert Meyer vier plus zwei Schiffe aus, Lloyd erstmals zwei. 2020 soll Meyer zwei plus eins fertigstellen. Danach ist die Auftragslage bislang offen.

Gute Arbeit nur für gute Löhne

„Dieser Angriff ist gescheitert“, sagt Geiken zufriedén, nun sei die Herstellung wieder vollständig in europäischer und zum großen Teil in deutscher Hand. „Die Japaner haben die Komplexität dieses Spezialschiffbaus unterschätzt“, sagt Geiken, „wir können das einfach besser.“ Aber natürlich seien „für gute Arbeit auch gute Leute und gute Löhne nötig“, fügt der Gewerkschafter hinzu. In der deutschen Schiffbauindustrie arbeiten etwa 90.000 Menschen, davon 15.600 direkt auf den Werften.

Der zweite Grund für weiterhin volle Auftragsbücher liegt auch in Fernost: Allen Prognosen zufolge wird China der Zukunftsmarkt der Kreuzfahrtbranche. Zurzeit gehen eine Million Chinesen pro Jahr auf See, 2030 sollen es acht Millionen sein. Dafür braucht es Schiffe, die nur Europa bauen kann.

Meyer in Papenburg hat vor einer Woche das erste auf Kiel gelegt: 326 Meter lang, für 3.900 Passagiere, mit Go-Kart-Rennstrecke, sporthallengroßen Mayong-Spielhallen und Luxussuiten für Großfamilien samt Personal. „Geschmäcker und Bedürfnisse sind verschieden“, sagt Ludwig. Frühestens in zehn Jahren würden chinesische Werften selbst in den Bau solcher Schiffe einsteigen können, glaubt Geiken. Deshalb gelte es für deutsche Werften, „ihre Innovations- und Technologieführerschaft zu behaupten“.

Das hat offenbar auch die Genting-Group aus Malaysia erkannt. Sie kaufte im vorigen November die Lloyd-Werft in Bremerhaven und im März die drei Nordic-Yard-Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund. An drei Standorten sollen Kreuzfahrer gebaut werden, in Stralsund Mega-Yachten für den privaten Bedarf vermögender Ostasiaten. Die IG Metall und 1.700 Beschäftigte warten aber noch „auf ein schlüssiges Unternehmenskonzept“. Bisher gebe es „nur Projekte, noch keine Aufträge“, sagt Geiken und lässt Misstrauen erkennen: „Wir brauchen Transparenz.“

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