Krieg in Sudan eskaliert: Regierungsarmee verliert Sudans größtes Ölfeld
Die Ölquellen von Heglig in der Region Kordofan fallen an Sudans aufständische RSF-Miliz. Das betrifft auch vitale Interessen des Nachbarn Südsudan.
Sudans aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) hat erneut einen militärischen Durchbruch erzielt. Am Montag eroberte die paramilitärische Truppe Sudans größtes Ölfeld Heglig und dessen Raffinerie im Bundesstaat West-Kordofan und kontrolliert damit nun die wichtigsten Bodenschätze des Landes.
„Die Befreiung der Ölregion Heglig ist angesichts ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ein entscheidender Schritt für die Befreiung des gesamten Landes“, erklärte die RSF auf Telegram. Videos zeigen, wie RSF-Kämpfer auf ihren Panzern sitzen und Gott danken, dass sie die Schlacht gewonnen haben.
Vor Heglig hatte die RSF bereits andere Ölquellen in der Nähe besetzt. Seit Monaten versuchen die RSF-Truppen, von ihren Hochburgen in Darfur aus die Region Kordofan zu erobern. Die Ölfelder in West- und Süd-Kordofan zählen zu den wichtigsten Finanzquellen des sudanesischen Regierung und ihrer Armee.
Die RSF-Miliz will nun die Ölförderung fortsetzen und die Einnahmen daraus in die eigene Kasse leiten. Auf Telegram verspricht sie, „allen Ingenieuren, Technikern und Arbeitern auf den Ölanlagen den notwendigen Schutz zu gewähren und ihnen ein geeignetes Arbeitsumfeld zu schaffen“.
Die Ölfelder liegen beiderseits der Staatsgrenze
Heglig ist nicht nur für Sudan strategisch wichtig, sondern ebenso für das Nachbarland Südsudan. Die Ölfelder liegen beiderseits der Staatsgrenze, die nur rund 15 Kilometer südlich von Heglig verläuft. In Heglig wird auch Rohöl aufbereitet, das Südsudan im eigenen Staatsgebiet fördert und nach Heglig zur Aufbereitung pumpt.
Von dort aus geht es weiter per Pipeline über El Obeid und Khartum nach Port Sudan am Roten Meer, von wo aus Sudans Öl den Weltmarkt erreicht. Südsudan verdient daran, zahlt dafür aber auch Transit- und Verarbeitungsgebühren an Sudans Regierung – vor Ausbruch des Krieges rund 150 Millionen Dollar pro Monat.
Inzwischen sind es nur noch rund 50 Millionen. Mehrfach sind im Verlauf des im April 2023 begonnen Krieges die Ölpipelines Ziel von RSF-Angriffen geworden. Im vergangenen Jahr floss fast sieben Monate lang kein einziger Tropfen. Damit fehlten auch Einnahmen für Sudans Staatskasse.
Auch das bitterarme und selbst von Konflikten erschütterte Südsudan musste deswegen enorme Einbußen hinnehmen – 98 Prozent des Staatsbudgets kommen aus Öleinnahmen. Als die Pipeline in Sudan 2024 still lag, fehlten Südsudans Staatskasse fast sieben Millionen US-Dollar am Tag. Fast ein Jahr lang wurden gar keine Löhne an Soldaten und Beamte ausgezahlt. Aus Geldmangel sagte Südsudans Präsident Salva Kiir auch die für Ende 2026 angesetzten Wahlen ab.
Seit Dezember 2024 fließt das Öl wieder, doch nur noch rund 70.000 Barrel pro Tag im Vergleich zu 150.000 in Vorkriegszeiten. In Sudan sieht es nicht besser aus. Wegen Drohnenangriffen steht die Förderung in Heglig seit August still. Die chinesischen Förderunternehmen in Sudan erwägen einen Rückzug aus den umkämpften Ölgebieten.
Südsudan wird von beiden Kriegsparteien umworben
Das Öl wird zu einem Spielball zwischen Südsudans Regierung, Sudans Regierung und der RSF. Im Oktober war Südsudans Außenminister Monday Semaya Kumba zu Gast in Port Sudan, er traf dort Staats- und Armeechef General Abdelfattah al-Burhan. Diskutiert wurden laut offiziellen Angaben der Austausch von Geheimdienstinformationen, die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus und die Stärkung der Grenzsicherung. Hinter den Kulissen soll al-Burhan dem südlichen Nachbarn gedroht haben, bloß keine Annäherung an die RSF zu wagen.
Der Grund: Südsudans Präsident Kiir war allein in diesem Jahr drei Mal in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), um Investitionen anzulocken. Die Emirate liefern der RSF Waffen und Ausrüstung. Als im März in Südsudan ein VAE-gesponsortes Feldkrankenhaus an der Grenze zu den RSF-kontrollierten Gebieten Sudans eröffnet wurde, kursierten Gerüchte, die RSF würde dort ihre Verwundeten versorgen lassen.
Auch jetzt kursieren Gerüchte um eine Kooperation zwischen RSF und Südsudan in der Schlacht um Heglig. Die RSF postet Videos, in denen ein Offizier der südsudanesischen Armee mit RSF-Kämpfern im Auto sitzt. Ein RSF-Kämpfer erklärt in die Kamera, man sei „aus Versehen“ über die Grenze nach Südsudan vorgestoßen und „herzlich empfangen“ worden.
Südsudans Armee hingegen bekräftigt jetzt ihre „strikte Neutralität“, so General Johnson Olony, Südsudans stellvertretender Armeechef. Er bestätigt, dass sich Soldaten von Sudans Regierungsarmee nach der verlorenen Schlacht über die Grenze gerettet hätten, samt Panzern und Raketenwerfern. Sie stünden nun unter Schutz von Südsudans Armee.
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