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Krieg in der UkraineRussland bleibt beim „Njet“

Der Kreml beharrt auf Maximalforderungen. Gespräche zwischen der US-Delegation und Wladimir Putin bringen in Sachen Friedensplan keinen Fortschritt.

Die US-Delegation verhandelt in Moskau mit Putin und Co Foto: Alexander Kazakov/imago

Aus Berlin

Barbara Oertel

Wer hätte das gedacht: Die Gespräche über ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zwischen dem US-Sondergesandten für Friedensmissionen Steve Witkoff, Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Russlands Präsidenten Wladimir Putin am Dienstagabend in Moskau sind ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangen.

Witkoff und Kushner hätten sich auf Putins Kriegsspiel eingelassen, schreibt das US-amerikanische Portal Politico über das mittlerweile sechste bilaterale Treffen seit Jahresbeginn. Der russische Diktator habe eine Kombination aus Charme, Verzögerungstaktiken und unverhohlenen Drohungen eingesetzt, um den beiden US-Unterhändlern Russlands Position zu vermitteln.

Den Befund, dass aus der fünfstündigen Begegnung nicht viel mehr als heiße Luft und die Wiederholung der ewig gleichen russischen Forderungen herausgekommen waren, hatten auch Äußerungen von Putins außenpolitischem Berater Juri Uschakow auf einer Pressekonferenz nahegelegt.

„Bislang konnte kein Kompromiss erzielt werden, einige amerikanische Vorschläge erscheinen jedoch mehr oder weniger akzeptabel, müssen aber noch diskutiert werden. Manche der uns vorgelegten Formulierungen sind inakzeptabel“, sagte Uschakow. Die territoriale Frage sei sowohl für die russische als auch die amerikanische Seite am wichtigsten, so Uschakow weiter, ohne weitere Details zu nennen.

Nato-Mitgliedschaft als „No-Go“

Ihm zufolge seien auch eine von Kyjiw angestrebte Mitgliedschaft in der Nato (für Moskau ein „No-Go“) sowie die „enormen Aussichten für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit“ zwischen Russland und den USA zur Sprache gekommen. Ein persönliches Treffen zwischen Trump und Putin sei derzeit nicht in Planung. Dieses hänge davon ab, welche Fortschritte bei den Bemühungen um eine Einigung erzielt würden.

Die „territoriale Frage“ ist eine vornehme Umschreibung einer der Kernforderungen Moskaus. Sie besagt, dass bereits völkerrechtswidrig besetzte ukrainische Gebiete auch international als Teile der Russischen Förderation anerkannt und noch nicht erobertes ukrainisches Territorium, zum Beispiel in der Region Donezk, an Moskau abgetreten werden müssen. Beides lehnt die Führung in Kyjiw bislang kategorisch ab.

Laut einer Umfrage des Kyjiwer Meinungsforschungsinstituts Info Sapiens wären 51,4 Prozent der Befragten bereit, an Protesten teilzunehmen, falls die Ukraine während der Verhandlungen inakzeptable Kompromisse eingehe. 41 Prozent halten einen Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft, die in der ukrainischen Verfassung festgeschrieben ist, für inakzeptabel – bei fallender Tendenz.

Apropos „freiwillige“ Gebietsabtretungen: Folgt man offiziellen Verlautbarungen aus Moskau, scheint die Eroberung des gesamten Gebietes Donezk ohnehin nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Am Mittwoch informierte Waleri Gerassimow, Chef des Generalstabs der Streitkräfte Russlands sowie Oberbefehlshaber über die russischen Truppen im Krieg gegen die Ukraine, Putin darüber, dass russische Armeeangehörige angeblich bis zu der Stadt Liman in der Region Donezk durchgebrochen seien. Vertreter der ukrainischen Streitkräfte sprachen hingegen von einer Lüge.

Kaum überprüfbar

Gerassimow war auch in den vergangenen Tagen bereits mehrfach der Überbringer „guter“ Nachrichten. So sollen russische Truppen auch Pokrowsk und Wowtschansk (im Gebiet Charkiw) in Gänze eingenommen haben. Vor allem die seit über einem Jahr massiv umkämpfte Bergbauarbeiterstadt Pokrowsk ist von großer strategischer Bedeutung. Ukrainische Militärs behaupten hingegen, den nördlichen Teil von Pokrowsk immer noch zu kontrollieren.

Was wirklich stimmt, ist – nicht nur im Fall von Pokrowsk – kaum zu überprüfen. Jedoch konstatieren auch unabhängige Beobachter russische Gebietsgewinne. Laut Analytikern des Projektes DeepState haben russische Truppen im vergangenen November weitere 505 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums besetzt.

Laut Angaben des ukrainischen Historikers Witalij Portnykow habe die „Shuttle-Diplomatie“ von Witkoff und Kushner in Moskau zu ihrer öffentlichen Bloßstellung geführt. Das sei auch ein regelrechtes Familiendesaster für Donald Trump, der wie immer Putins Signale nicht erkannt habe, schreibt er in einem Kommentar für das Onlineportal Novoje vremja. Das habe auch sein Gutes. Putins größter Fehler sei gewesen, die Familie Trump lächerlich zu machen und dem US-Präsidenten damit die Chance zu geben, aufzuwachen.

Ob Trump diese Chance nutzt, ist unklar. Zumindest hat Steve Witkoff am Mittwoch Kontakt zu der ukrainischen Delegation aufgenommen und sie zu weiteren Gesprächen in die USA eingeladen.

Unterdessen haben Nato-Mitgliedstaaten der Ukraine über die Initiative Purl („Prioritised Ukraine Requirements List“) Waffen und Munition aus US-Produktion im Wert von mehreren Milliarden Dollar zugesagt. Das teilte Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Mittwoch nach einem Treffen der Außenminister in Brüssel mit. Mit Australien und Neuseeland beteiligten sich zudem erstmals auch Partnerländer an den Zusagen.

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