Kriegsverbrechen im Kongo: Milizenführer ausgeliefert

Der Milizenführer Ngudjolo aus Ituri soll an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein. Er ist der dritte Häftling aus dem Kongo, der nach Den Haag überstellt wurde.

Der Oberst Mathieu Ngudjolo sitzt jetzt in Haft. Bild: ap

BERLIN taz Die Aufarbeitung des Kongokrieges durch den Internationalen Strafgerichtshof macht Fortschritte. Gestern gab der Gerichtshof in Den Haag die Verhaftung des ehemaligen kongolesischen Milizenführers Mathieu Ngudjolo bekannt. Ngudjolo kommandierte 2002 bis 2003 im nordostkongolesischen Distrikt Ituri die Miliz "Nationalistische Front für Integration" (FNI), die sich hauptsächlich aus der Ethnie der Lendu rekrutierte und für zahlreiche Kriegsverbrechen am Volk der Hema verantwortlich gemacht wird.

Der Haftbefehl gegen Ngudjolo, der am 27. Juni 2007 ausgestellt und jetzt erst veröffentlicht wurde, wirft ihm als Oberkommandierendem der FNI den "systematischen und allgemeinen Angriff" auf die zumeist aus Hema bestehende Zivilbevölkerung von Teilen Ituris vor. Als Höhepunkt davon wird ein Massaker im Dorf Bogoro am 24. Februar 2003 genannt, bei dem rund 200 Menschen getötet wurden. Aufgelistet werden drei Anklagepunkte von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sechs Kriegsverbrechen.

Anfang 2003 war in der Demokratischen Republik Kongo bereits ein Friedensvertrag unterzeichnet worden, aber im Distrikt Ituri an der Grenze zu Uganda tobte weiterhin ein blutiger ethnischer Konflikt, der hauptsächlich Hema- gegen Lendu-Milizen stellte. Über 50.000 Menschen wurden dabei getötet und über 500.000 vertrieben. Die wichtigste Hema-Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten) kontrollierte damals Ituris Hauptstadt Bunia, während die Lendu-Milizen FNI und FRPI (Iturische Patriotische Widerstandsfront) im Umland ethnische Säuberungen verübten. Beide Seiten wurden von unterschiedlichen Kriegsparteien auf nationaler Ebene und auch von unterschiedlichen Nachbarländern unterstützt, weswegen der Krieg in Ituri als Gefahr für Kongos Friedensprozess insgesamt galt. Dieser Krieg erreichte nach dem Massaker von Bogoro auch Bunia selbst, woraufhin es eine französisch geführte Militärintervention mit Unterstützung der Bundeswehr in Ituri gab.

UPC-Führer Thomas Lubanga sitzt bereits seit 2006 in Den Haag in Haft und muss sich derzeit wegen Rekrutierung von Kindersoldaten vor dem Strafgerichtshof verantworten. FRPI-Kommandant Germain Katanga, der am Massaker von Bogoro mitgewirkt haben soll, wurde am 17. Oktober 2007 von den kongolesischen Behörden nach Den Haag überstellt. Mit Ngudjolo sitzt nun der dritte der damaligen Kriegsführer Ituris in Haft.

Während Lubanga und Katanga schon im Kongo inhaftiert waren und an den Strafgerichtshof lediglich ausgeliefert werden mussten, war Ngudjolo bislang auf freiem Fuß und diente als Oberst in Kongos Regierungsarmee. Am Mittwoch wurde er festgenommen und noch am Abend ins Flugzeug nach Europa gesetzt. Dies ist ein möglicherweise bedeutsamer Präzedenzfall für die Verfolgung von Kriegsverbrechen im Kongo: Auch aktive Militärs können sich nicht mehr sicher fühlen, und Dienst in der Regierungsarmee schützt vor Strafverfolgung nicht.

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