Kriegsverbrechen im Kosovo: Nichts außer Mord und Folter

US-Ermittler haben keine Beweise für eine Beteiligung der UCK am Organhandel. Zehn von ihnen droht eine Anklage wegen anderer Kriegsverbrechen.

Eine ehemalige UCK-Waffe in einer Ausstellung nahe Pristina. Bild: reuters

SPLIT taz | Wenn am heutigen Dienstag der von der Europäischen Union eingesetzte US-Staatsanwalt John Clint Williamson die Ergebnisse seiner Ermittlungen in Brüssel vorstellt, werden wohl viele Menschen in Kosovo erleichtert sein. Denn nach Vorabinformationen aus diplomatischen Kreisen und der kosovarischen Zeitung Koha Ditore konnte Williamsen keine Beweise für die Beteiligung führender Mitglieder der damaligen Befreiungsarmee UCK am Handel mit Organen finden.

Vor allem Außenminister Enver Hoxhaj hatte in den letzten Jahren stets betont, dass die von der ehemaligen Chefanklägerin in Den Haag, Carla del Ponte, vorgebrachten Anschuldigungen die Außenpolitik des Landes gelähmt hätten. Nachdem die Vorwürfe 2011 in einen Bericht des Schweizer Ermittlers Dick Marty für den Europarat aufgenommen worden waren, musste er sich bei allen Konferenzen rechtfertigen, erklärte er.

Mit dem Bericht des US-Staatsanwalts, der frühere ergebnislose Untersuchungen von Kommissionen der UN, der Eulex und des FBI bestätigte, dürfte dieses Kapitel wohl geschlossen werden.

Andere Kriegsverbrechen wird jedoch ein eigens für Kosovo gegründetes Tribunal untersuchen müssen. Williamson werde voraussichtlich Anklagen gegen etwa zehn Mitglieder der UCK formulieren, erklärten diplomatische Kreise. Die Vorwürfe betreffen Morde an serbischen und albanischen Zivilisten, Folter und Inhaftierungen unter unmenschlichen Bedingungen. Williamson ging zudem Fällen von verschwundenen serbischen Einwohnern der Ortschaften Zoqishte (Zociste) und Rahovec (Orahovac) nach.

Der amtierende Premier Hashim Thaci werde jedoch nicht belastet, versichern diplomatische Quellen aus Prishtina. Dagegen könnte der Name des Expremiers und Chefs der Oppositionspartei Allianz für die Zukunft (AAK), Ramush Haradinaj, auf der Liste des Ermittlers stehen. Der einstige UCK-Kommandant im Westen Kosovos musste sich bereits vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien verantworten. Er wurde im November 2012 freigesprochen.

Zünglein an der Waage

Der Bericht könnte die aktuelle politische Lage im Lande entscheidend beeinflussen. Denn nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 8. Juni hat Haradinaj Chancen, Thaci als Ministerpräsident abzulösen. Das ihn unterstützende Parteienbündnis aus seiner AAK, der Demokratischen Liga (LDK) und der neu gegründeten Partei „Initiative“ hat im Parlament 47 von 120 Sitzen. Thacis Demokratische Partei ( PDK) wurde mit 37 Sitzen zwar stärkste Kraft, hat jedoch keinen Bündnispartner.

Zünglein an der Waage wäre die 10-Prozent-Partei „Selbstbestimmung“ (Vetevendosje) des gegen Korruption kämpfenden ehemaligen Studentenführers Albin Kurti, der in der Herrschaft der Partei Thacis die systematische Ausplünderung des Staates sieht. Doch auch die neue Koalition aus AAK und LDK will seine harten Bedingungen in dieser Frage nicht akzeptieren.

Auch die Institutionen der internationalen Gemeinschaft wenden sich gegen Kurti, hatte der doch in der Vergangenheit die Korruptionsskandale innerhalb der ehemaligen UN-Administration angeprangert. Seither wird Kurti von seinen Gegnern als „Nationalist“ diffamiert, obwohl seine Partei nach den Kommunalwahlen den Bürgermeister in Prishtina stellt und von allen Seiten anerkannte gute Arbeit leistet.

Hashim Thaci kann abwarten. Mit einer neuen Anklage gegen Haradinaj nach dem Bericht von Williamsen hätte der amtierende Premier wieder alle Trümpfe in der Hand. Dann könnte sich die zweitstärkste Partei LDK überlegen, wieder in die Regierung zurückzukehren. Auch Neuwahlen wären möglich.

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