Kriegsverbrechen in Peru: Die Würde der Mörder, nicht der Opfer
Zwischen 1980 und 2000 wurden in Peru Zehntausende von Polizei und Militär getötet, gefoltert und misshandelt. Jetzt genießen die Täter Amnestie.
„Mit dem Inkraftsetzen dieses Amnestiegesetzes“, sagte Boluarte, „erkennen Perus Regierung und Parlament das Opfer an, das die Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei und der Selbstverteidigungsgruppen im Kampf gegen den Terrorismus erbracht haben. Wir geben ihnen die Würde zurück, die niemals hätte in Frage gestellt werden dürfen.“
Während des blutigen Konfliktes zwischen dem Staat und der maoistischen Guerilla Leuchtender Pfad und anderen linken Guerillagruppen waren in den zwei Jahrzehnten rund 70.000 Menschen getötet worden, 20.000 Menschen „verschwanden“.
Laut den Recherchen der Unabhängigen Wahrheits- und Versöhnungskommission, die ihren Abschlussbericht 2003 vorlegte, gingen knapp die Hälfte der Toten und über 80 Prozent aller Fälle sexualisierter Gewalt im Rahmen des Konfliktes auf das Konto von Militär und Polizei.
Ein Gesetz, das Straflosigkeit sicherstellt
Seither waren über 150 Täter wegen solcher Verbrechen verurteilt worden, rund 600 Ermittlungsverfahren sind noch im Gange – bislang. Mit dem neuen Gesetz dürften sich die mutmaßlichen Täter in Sicherheit wiegen.
Juanita Goebertus, Regionaldirektorin von Human Rights Watch, kritisiert das Gesetz als einen Verrat an den Opfern. Es untergrabe Jahrzehnte der Bemühungen, die Verantwortlichen für die Grausamkeiten zur Rechenschaft zu ziehen und schwäche den Rechtsstaat, sagte sie.
„Dieses Amnestiegesetz ist ein Gesetz, das Straflosigkeit sicherstellt“, sagt Jo-Marie Burt, Peru-Expertin beim Washington Office on Latin America. „Peru ist vom Standpunkt internationalen Rechts gesehen damit ein Paria-Staat. Das Gesetz stellt Peru auf die gleiche Stufe wie Venezuela und Nicaragua.“
Schon als das Gesetz im Juli vom Parlament verabschiedet worden war, hatte unter anderem die UN-Menschenrechtskommission Alarm geschlagen: „Peru ist verpflichtet, schwere Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen nach internationalem Recht zu ermitteln, zu verfolgen und zu bestrafen“, heißt es in einer Erklärung. „Internationale Standards verbieten Amnestien oder Begnadigungen für solche schwerwiegenden Verbrechen.“
Bereits 2024 wurde eine Verjährungsfrist für Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschlossen, die vor 2002 begangen wurden. Dadurch wurden Hunderte Ermittlungen zu mutmaßlichen Verbrechen praktisch eingestellt.
Diese Initiative kam dem 2024 verstorbenen Präsidenten Alberto Fujimori zugute, der wegen seiner Verantwortung für Gräueltaten inhaftiert war, aber 2023 „aus humanitären Gründen“ frei kam. Die äußerst unbeliebte Präsidentin Boluarte hatte Ende 2022 und Anfang 2023 eine Niederschlagung sozialer Proteste angeordnet, bei der etwa 60 Menschen getötet wurden. (mit epd)
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