Kriegsverbrechen in Syrien: IS-Rückkehrerin doch festgenommen

Sibel H. soll Kriegsverbrechen verübt haben, indem sie Häuser von IS-Vertriebenen bewohnte. Auch anderen Rückkehrerinnen drohen Anklagen.

IS-Anhängerinnen in einem syrischen Gefangenenlager

Frauen, darunter IS-Anhängerinnen, in einem syrischen Gefangenenlager. Foto: dpa

BERLIN taz | Diesmal schritten die Polizisten zur Tat: Am Dienstag nahmen sie Sibel H. an ihrem Wohnort, einer bayrischen Kleinstadt, fest. Die Bundesanwaltschaft gab dies am Mittwoch bekannt. Zuvor hatte sie erfolgreich einen Haftbefehl gegen die 31-jährige Islamistin beim Bundesgerichtshof erwirkt – nun doch noch.

Denn bisher war die Bundesanwaltschaft daran gescheitert, obwohl der Fall Sibel H. zum Exempel werden sollte, wie IS-Rückkehrerinnen juristisch beizukommen ist.

Sibel H. war bereits 2013 mit ihrem Mann zum „Islamischen Staat“ ausgereist; nach dessen baldigem Tod kehrte sie nach Deutschland zurück. Im Frühjahr 2016 reiste H. erneut aus, erst nach Syrien, später in den Irak, nun mit ihrem neuen Partner, Deniz B., einem Frankfurter Salafisten. B. arbeitete als Pfleger in einem vom IS kontrollierten Krankenhaus, Sibel H. kümmerte sich um den Haushalt und den im Irak geborenen Sohn. Im August 2017 wurden beide von Peschmerga-KämpferInnen festgenommen. Ein halbes Jahr später wurde H. nach Frankfurt am Main ausgeflogen.

Die Bundesanwaltschaft wollte die Deutschtürkin, die in Bayern geboren wurde, sich früher in Frankfurter und Offenbacher Islamistenkreisen bewegte und den Sicherheitsbehörden als Fanatikerin galt, schon damals festnehmen. Mit ihrem Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung aber scheiterte sie vor dem Bundesgerichtshof: Nur die Ausreise ins IS-Gebiet und dortige Hausarbeiten reichten nicht aus, um zu der Terrortruppe zu gehören. Dafür brauche es mehr, etwa Propaganda- oder Verwaltungstätigkeiten. H. blieb in Freiheit.

Später Erfolg für Bundesanwaltschaft

Die Entscheidung war ein Rückschlag für die Bundesanwaltschaft. Am Beispiel von Sibel H. wollte sie einen neuen Kurs unterstreichen: Auch Frauen, die „nur“ zum IS reisten, hätten ab sofort mit Konsequenzen zu rechnen. Auch mit Haushaltsaufgaben übernähmen diese eine Logistikerinnenrolle für die Terrorgruppe, hielten den Kämpfern den Rücken frei. Sie seien für den IS „unentbehrlich“. 1.050 Deutsche sollen bisher zu der Gruppe ausgereist sein, davon ein Viertel Frauen. Etwa 50 Frauen sitzen in Syrien oder dem Irak in Haft. Ebenso viele kehrten bereits zurück – die meisten ohne in Haft zu landen.

Die Islamistin Sibel H. mit ihrem Partner Deniz B.

Sitzt nun in U-Haft: Sibel H. auf einem Foto mit ihrem Mann Deniz B. Foto: Privat

Im Fall Sibel H. ermittelte die Bundesanwaltschaft auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland weiter und präsentierte dem Bundesgerichtshof neue Vorwürfe: H. soll auch „Kriegsverbrechen gegen das Eigentum“ sowie Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verübt haben. Denn der IS habe Sibel H. drei Wohnhäuser überlassen, deren Bewohner vor der Terrorgruppe geflohen seien. Zudem habe sie Zugriff auf drei Kalaschnikows und ein Gewehr gehabt.

Damit hatte der Antrag Erfolg: Der Bundesgerichtshof bewilligte den Haftbefehl gegen Sibel H., sitzt nun in U-Haft. Ihre Anwältin wollte sich vorerst nicht äußern.

Hat der Haftbefehl Bestand, könnten auch anderen IS-Anhängerinnen Anklagen drohen. Für die Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Schon im April hatte die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die IS-Rückkehrerin Sarah O. erhoben, auch hier unter anderem mit dem Vorwurf, Wohnungen von durch den IS Vertriebenen bezogen und so den „Gebietsanspruch“ der Terroristen „gefestigt“ zu haben.

Ehemann klagt auf Rückkehr nach Deutschland

Sibel H.s Mann Deniz B. sitzt weiter im Nordirak in Haft. Er klagt inzwischen vor dem Berliner Verwaltungsgericht auf Rückholung nach Deutschland – da er deutscher Staatsbürger sei, sei das Land dazu rechtlich verpflichtet. Bei Erfolg wäre dies eine Premiere. Eine Entscheidung steht noch aus.

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