„Kriegszustand“ mit Südkorea erklärt: Nordkorea sucht Stress

Im Konflikt der Koreas hat der Norden erklärt, in den „Kriegszustand“ eingetreten zu sein. Laut Staatsmedien wurden strategischen Raketen in Bereitschaftsstellung versetzt.

Aggressive Körpersprache: Nordkoreanische Offiziere am Freitag in Pjöngjang. Bild: ap

SEOUL/BERLIN dpa | Die Kriegsdrohungen Nordkoreas haben eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das Regime in Pjöngjang erklärte am Samstag, das Land sei im Verhältnis zu Südkorea in den „Kriegszustand“ eingetreten. Jede Angelegenheit zwischen beiden Staaten werde ab sofort „nach den Vorschriften für Kriegszeiten“ behandelt, hieß es in der von den Staatsmedien verbreiteten gemeinsamen Erklärung der Regierung, der herrschenden Arbeiterpartei und anderer Organisationen. Der Dauerkonflikt mit Südkorea und den USA hatte sich in den vergangenen Wochen erheblich verschärft.

Von einem Angriffsbefehl wurde zunächst nichts bekannt. Das nordkoreanische Militär warte weitere Befehle von Machthaber Kim Jong Un ab, hieß es. Kims „wichtige Entscheidung“ sei ein Ultimatum gegen feindliche Kräfte. Das Regime in Pjöngjang unterstellte den USA und Südkorea erneut, mit ihren gemeinsamen Militärübungen Vorbereitungen für einen Atomkrieg zu treffen.

Am Freitag hatte Nordkoreas Machthaber nach Berichten der staatlichen Medien per Befehl die strategischen Raketen des Landes für mögliche Angriffe in Bereitschaftsstellung versetzt. Der Befehl wurde als Reaktion auf Übungsflüge zweier Tarnkappenbomber der US-Luftwaffe über Südkorea verstanden.

Die koreanische Halbinsel befindet sich seit dem Ende des Korea-Kriegs von 1950 bis 1953 völkerrechtlich ohnehin noch immer im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag wurde bis heute nicht geschlossen. Nach Ansicht von Beobachtern setzt Nordkorea bewusst auf eine Verschärfung der Spannungen, um die USA zu Verhandlungen zu zwingen. Das Land wolle zudem als Atommacht anerkannt werden.

Südkorea bleibt gelassen

Südkoreas Regierung reagierte auf die jüngste Erklärung des kommunistischen Nachbarlandes gelassen. Sie stelle „keine wirklich neue Drohung“ dar, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme in Seoul. Sie sei in einer Reihe der jüngsten Drohungen des Nordens einzuordnen. Die Regierung nannte dabei die Ankündigung Nordkoreas vor einigen Tagen, die Truppen seien in Gefechtsbereitschaft versetzt worden.

Das Verteidigungsministerium in Seoul warnte Nordkorea erneut vor militärischen Provokationen. Südkorea werde strikt zurückschlagen. Es seien aber keine Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Provokation in Nordkorea zu erkennen gewesen, hieß es aus Militärkreisen. Am Freitag hatten südkoreanische Medien unter Berufung auf Militärs berichtet, dass an den Raketenstützpunkten im Nachbarland seit einigen Tagen auffällige Bewegungen von Fahrzeugen und Soldaten zu beobachten sehen.

Russland rief alle Konfliktparteien zur „Zurückhaltung“ auf. „Natürlich können uns die Spannungen an unserer östlichen Grenze nicht kaltlassen“, sagte der Sondergesandte des Außenministeriums, Grigori Logwinow, der Agentur Interfax. Das Außenamt in Moskau schätze die Lage als „sehr angespannt und gefährlich“ ein.

Drohungen auch gegen die USA

Der Zustand, dass auf der koreanischen Halbinsel weder Frieden noch Krieg herrsche, sei beendet, hieß es in Pjöngjang. Jede Provokation in der Nähe der Landes- und Seegrenze mit Südkorea werde in einen „umfassenden Konflikt und einen Atomkrieg“ münden. Erneut wurden auch die direkten Drohungen gegen die USA bekräftigt. Als mögliche Ziele wurden das Festland der USA, Hawaii und Guam sowie die in Südkorea stationierten US-Truppen genannt.

Die Spannungen auf der Halbinsel hatten sich seit dem dritten nordkoreanischen Atomtest im Februar deutlich verschärft. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Sanktionen gegen Pjöngjang ausgeweitet.

Trotz der jüngsten Drohung ließ Nordkorea nach Angaben des Vereinigungsministeriums in Seoul auch am Samstag wieder südkoreanische Pendler einreisen. Tag für Tag, außer sonntags, kommen Hunderte Südkoreaner in den gemeinsame Industriepark in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong. Der Industriekomplex ist eine wichtige Deviseneinnahmequelle für das verarmte, aber hochgerüstete Nordkorea.

Der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND, Gerhard Schindler, geht nicht davon aus, dass das nordkoreanische Regime auf einen Krieg aus ist. „Nordkorea zeichnet sich gerade durch eine besondere Aggressionsrhetorik aus. Das ist jedoch nicht völlig neu“, sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes der Bild am Sonntag. „Wir gehen davon aus, dass Nordkorea keinen Krieg will.“ Die Gefahr „einer regionalen Eskalation“ sehe er aber sehr wohl.

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